Raus aus Emils Schatten

Im Beisein von Mama, Bruder und Gatten eröffnete die Künstlerin ihre erste eigene Ausstellung. Sie geniesst es, einmal nicht nur «Frau von» zu sein.

Der Countdown zur Vernissage läuft: Zwei Stunden noch, dann öffnet Niccel Steinberger (54) die Tür der Nidau Gallery – und ein bisschen auch die zu ihrem Herzen. Bis zum 21. 12. zeigt sie ihre Bilder in der Ausstellung «SpielArt» in Nidau (www.nidau-gallery.com). Statt Ruhe vor dem Sturm herrscht emsiges Treiben: Besprechungen mit dem Galeristen-Ehepaar Müller, Posieren für Fotos, Interviews mit Journalisten, denen sie ihre Werke erklärt. Sie sind allesamt bunt und dennoch ganz unterschiedlich – abstrakte Selbstporträts, humorvolle Collagen, kleine und grosse Bilder in verschiedenen Stilen. «Wunderbar abwechslungsreich», meint Ehemann Emil (86), der eigentlich gar nicht viel sagen möchte. Der Abend gehört Niccel, aber die ist gerade im Schuss. Kein Problem damit, dass für einmal nicht er im Mittelpunkt steht? «Im Gegenteil!» Der Kabarettist unterstützt sie, wie sie sonst ihn. «Isch bald riif gsi! Sie arbeitet so viel für mich, organisiert alles. Das ist jetzt ihres, und sie macht es mit Herz und Seele!»

Und gerade auch mit einer gewissen Aufregung: Herzklopfen, weil es für sie tatsächlich ungewohnt ist, die Hauptperson zu sein. «Aber ich geniesse es, einmal als Niccel in die Öffentlichkeit zu treten und nicht als ‹Frau von›.» Für Emil sei sie eine Wundertüte – u. a. schreibt sie, malt und fotografiert. Das erwähne er auch oft gegen aussen, dennoch sei es schwer, aus seinem Schatten zu treten. Herzklopfen aber auch aus Neugier, wie ihre Kunst bei den Leuten ankommt. «Es ist schon ein Wagnis, etwas öffentlich zu zeigen, was bisher privat war.»

Von klein auf liebte es Niccel Steinberger zu malen, irgendwann sei das aber in den Hintergrund getreten. Dafür brach es in den letzten Jahren regelrecht aus ihr heraus. Sie machte Fernkurse mit einer US-Künstlerin, malte über Monate jeden Tag ein Bild. Sie werde derzeit von allem inspiriert, könne an keinem Papierschnipsel vorbeigehen, ohne zu überlegen, ob sie ihn für eine Collage brauchen könnte.

Inspiriert wird sie aber auch von privaten Situationen. Gerade stehen wir in einem Raum mit Bildern, die bunte Linien zeigen. Lebenswege nennt sie diese, weil das Leben oft wirr ist. Die Werke entstanden vor rund zwei Jahren in einer Zeit tiefster Trauer, nachdem Chris, einer ihr vier Brüder, mit erst 53 an Krebs starb. «Wie soll man verstehen, dass ein Mensch plötzlich weg ist? Der Abschied war viel zu früh.» Dennoch wirken die Bilder fröhlich. «Sie zu malen, hat mir sehr geholfen», erklärt sie, «ich fühlte mich dadurch mit ihm in Verbindung, als würden wir Zwiesprache halten. Vielleicht ist deshalb auch Fröhliches hineingerutscht.»

Umso schöner, dass Teile ihrer Familie aus Deutschland extra für die Vernissage angereist sind. Ihr Bruder Rainer (58) mit seiner Frau Nong (48) sowie Mutter Edda (78). Sie sei stolz auf ihre Tochter, verrät diese und fügt schmunzelnd an, dass Niccel das Mal-Talent nicht von ihr habe. Die künstlerische Ader aber schon. Sie selbst fertigt Kunstwerke aus Pappmaché. Das wiederum verrät «Dr. Rob Otter» – der von Niccel gefertigte Roboter, der eine Stunde später die Eröffnungsrede hält. Mit Emils Stimme. Ansonsten hält der sich aber weiter im Hintergrund, während Niccel die Gratulationen von den begeisterten Gästen entgegennimmt. Gut, hat sie den Schritt aus dem Schatten ihres Mannes gewagt!