Mit 85 Jahren ins Gefängnis
Sie wurde rückfällig: Rentnerin Ingrid Millgramm hat schon wieder Lebensmittel und Kosmetika gestohlen – und muss jetzt die Konsequenzen tragen.
Haarklammern, Schlagrahm und Gesichtscreme wurden ihr zum Verhängnis. Rentnerin Ingrid Millgramm (85) aus dem bayerischen Bad Wörishofen muss erneut wegen Ladendiebstahl hinter Gittern. Weil sie die Waren im Wert von rund 18 Euro geklaut haben soll, verurteilte sie das Landgericht Memmingen zu vier Monaten Haft.
Rückblick: Die alte Dame sass bereits 2017 wegen wiederholten Ladendiebstahls im Gefängnis. Ihre Erklärung: Die Rente von 725 Euro reiche nach allen Abzügen nie und nimmer zum Leben.
Ingrid hat 45 Jahre als Schneiderin gearbeitet. Sie verdiente nicht allzu viel. Dann machte die Witwe einen folgenschweren Fehler: Sie spekulierte an der Börse und verlor ihr ganzes Vermögen. Die Rente, die sie jetzt erhält, reicht ihren Angaben zufolge nicht einmal mehr, um genug Essen zu kaufen. «Mir bleiben nach allen Abzügen nur noch 188.80 Euro zum Leben.» Das Geld sei bis zur Monatsmitte aufgebraucht.
Um ihren Kühlschrank aufzufüllen, hatte sich die Rentnerin schon vor zwei Jahren strafbar gemacht (die GP berichtete). Sie stahl fünfmal Lebensmittel, darunter Schinken, Schokolade und Spargeln. Der Gesamtwert der entwendeten Waren betrug 96 Euro. Mehrfach wurde sie deswegen zu Bewährungsstrafen verurteilt und schliesslich inhaftiert. Obwohl der Arzt damals ein Attest vorlegte, dass seine Patientin nicht haftfähig sei. Sie ernähre sich vollkommen falsch, da ihr Geld für gesunde Kost fehle. Zudem leide sie an Bluthochdruck und habe eine schwere Wirbelsäulen-Degeneration, 2013 sogar eine Lendenwirbelfraktur erlitten. Millgramms Anwältin sprach damals von einem Skandal, man könne für so einen Betrag doch niemanden ins Gefängnis stecken. Sie hatte sogar beim Justizministerium einen Gnadenantrag eingereicht. Dennoch blieb der Richter hart: Ingrid Millgramm wurde zu einer Gefängnisstrafe von neun Monaten verurteilt, aber nach 55 Tagen auf Bewährung entlassen.
Im neuen Fall stritt Millgramm alles ab. Sie habe keine Ahnung, wie die Sachen in ihren Einkaufswagen kamen. Doch es gab mehrere Zeugen, die Rentnerin Ingrid belasten. Der Staatsanwalt hatte sogar sechs statt vier Monate Freiheitsstrafe gefordert. Er warf der Seniorin vor: «Immer wieder versucht die Angeklagte, sich die Sache schönzureden, dass sie aus Hunger Nahrung klaut. Aber es wurden nicht nur Lebensmittel, sondern auch Kosmetika gestohlen.»
Ingrid Millgramms heutiger Rechtsanwalt sagte der «Bild»-Zeitung: «Wir hatten auf einen Freispruch gehofft. Jetzt planen wir, in Revision zu gehen!»