«Mein Herz könnte den Mörder meiner geliebten Tochter retten»

Reinhard Minuth trauert um sein Kind. Im ­Prozess gegen den mutmasslichen Killer spielt auch seine Gesundheit eine wichtige Rolle.

Reinhard Minuth (53) hat seine Tochter verloren. Nathalie war erst 23 Jahre alt, als sie im Sommer 2019 getötet wurde. Das Herz des Vaters könnte nun den mutmasslichen Mörder seiner Tochter vor einer lebenslangen Haftstrafe retten. Wie ist das möglich?

Rückblick: Nathalie arbeitete als Kellnerin in Flensburg (D), bot sich nebenbei auf einem Sex-Portal im Internet an. Dort lernt sie, so ermittelte es die Staatsanwaltschaft später, Thomas P. kennen. Der Lastwagenchauffeur ist bei der Freiwilligen Feuerwehr, chattet mit Nathalie. Erst auf der Plattform, dann bei WhatsApp. Am 17. August steigt sie in der Nähe ihres Zuhauses in sein Auto. Thomas P. stoppt noch an einer Bank, hebt 100 Euro ab.
Zwei Wochen später wird Nathalies nackte und durch die Hitze stark verweste Leiche in einem Waldstück im Nachbarort gefunden. Die genaue Todesur­sache kann nicht mehr ermittelt werden. Seit April 2020 wird der Fall vor dem Landgericht Flensburg verhandelt. Ein Indizienprozess. Thomas P. ist wegen Totschlags angeklagt, darauf steht in besonders schweren Fällen lebenslang. Auch eine Verurteilung wegen Mordes wird geprüft.Und da kommt am 19. Verhandlungstag das Herz von Nathalies Vater ins Spiel. Grund: Beim Angeklagten wurde ein Elektroschocker sichergestellt. «Daran wurden DNA-Spuren meiner Tochter gefunden», sagte Reinhard Minuth zur «Bild am Sonntag». «Es kann also sein, dass er sie damit in Schach gehalten hat.» Oder ist es möglich, dass Nathalie durch den Einsatz des Elektroschockers gestorben ist, weil sie einen angeborenen Herzfehler hatte? Dann könnte der Angeklagte mit einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge davonkommen. Dafür gibt es nicht lebenslang. Laut einer Gutachterin der Rechtsmedizin Frankfurt hatte Nathalies Herz zwar kleine genetische Anomalien, doch die könne man «wahrscheinlich nicht» als Hinweis auf eine Erkrankung deuten.Aber reicht dieses «wahrscheinlich nicht» dem Gericht? Reinhard Minuth: «Der Vorsitzende ordnete eine Familien-Anamnese an − die Erfassung der (möglichen) Krankengeschichte eines Patienten. Und auch die seiner Angehörigen. Sollte bei ihnen eine genetisch bedingte Herzerkrankung festgestellt werden, könnte die auch Nathalie geerbt haben.» Der Vater weiter: «Wir alle, meine Ex-Frau, meine beiden Töchter und ich, sollten uns untersuchen lassen. Wenn ich Vorerkrankungen habe, könnte mein krankes Herz den Mörder meiner Tochter retten!»

Was sagt Strafrechtsexperte Nicolai Preuss (49), der Nathalies Vater in der Nebenklage unterstützt, dazu? «Sicher ist mein Mandant davon erneut sehr be­lastet, dennoch verstehe ich, dass das Gericht alle Eventualitäten, die später zu einer Revision des Angeklagten und zur Aufhebung eines Urteils führen könnten, ausschliessen will und muss.»

Der Vater hat ein Belastungs- und ein Langzeit-EKG in der Uniklinik Kiel durchführen lassen. Die Ergebnisse sollen erst im Prozess verkündet werden − und dieser beginnt im Februar.