Kampf gegen die Selbstzerstörung

Hinter einer dicken Schicht Make-up hat Laura die vielen Wunden im Gesicht verdeckt. Diese hat sie sich selbst zugefügt – krankhaft. Nun sieht sie nach Jahren der Pein endlich Licht am Horizont.

«Leprakranke!», wird Lauren McKeaney von Kindern auf dem Pausenplatz nachge­rufen. Die Haut des Mädchens ist voller Läsionen, sieht anders aus als die ihrer Gspänli. Seit sie fünf Jahre alt ist, pikst, drückt und verletzt die heute 35-Jährige ihre äusserste Schutzschicht. Das hinterlässt Narben, die für immer bleiben. Der Köper ist übersät mit offenen Wunden – ein gefundenes Fressen für Bakterien. Da bringt auch lange Kleidung wenig, mit der sie ihre Male zu verdecken sucht.

Was los ist mit ihr, wird 2014 klar. Die Schnitte, die sich die Amerikanerin aus Chicago an den Innenschenkeln zufügt, entzünden sich. Das MRSA-Bakterium (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) nistet sich ein. Lauren muss ins Spital, wo die Ärzte mit einer Schocknachricht auf sie zukommen: «Sie sagten mir, dass sie das Bein in diesem Zustand wahrscheinlich abnehmen müssten. Das war der schlimmste Moment meines Lebens!» Immerhin weiss sie nun endlich, unter welcher Krankheit sie leidet: Dermatillomania, bei dem Betroffene nicht aufhören können, an ihrer Haut herumzuzupfen, sie zu quetschen oder im Extremfall sich zu beissen. Laura: «Im Teenageralter wurde es noch unangenehmer: Die Akne machte alles schlimmer, die Pickel waren ein prädestiniertes Ziel, um daran herumzuzupfen.»

Eine Therapie für Dermatillomania gibt es noch nicht. Lauren fand einen eigenen Weg, mit der krankhaften Selbstzerstörung umzugehen: «Ich muss meine ruhelosen Finger beschäftigen. Und immer wissen, wo meine Hände sind, so kann ich sie davon abhalten, automatisch in alte Muster zurückzufallen.» Lauren gibt ihren Fingern eine Beschäftigung, bei der sie sich selbst nicht ver­letzen kann: Sie trägt ständig einen «Fidget Spinner» bei sich – am ehesten übersetzbar mit Handkreisel. Zudem hat sie eine Stiftung ins Leben gerufen. Deren Ziel ist es, den Betroffenen klarzumachen, dass sie keine Schuld trifft. Mehr noch will sie die medizinische Gemeinschaft auf das Phä­nomen aufmerksam machen, will, dass sie es erkennen und verstehen. «Immerhin betrifft es drei Prozent der Weltbevölkerung!»