Ein folgenschwerer Entschluss

Die Schweizerin ­Barbara liebte ihr ­Leben in Lappland. Dann jedoch bekam sie eine Nachricht − und alles änderte sich plötzlich.

Ich habe meinen Eltern immer versprochen, für sie da zu sein, falls sie mich brauchen. Jetzt ist es so weit!» Wenn Barbara aus dem Fenster ihres Tiny House schaut, blickt sie auf einen silbrig schimmernden See, eingerahmt von einer waldreichen Landschaft, in der kaum Menschen leben, dafür jede Menge seltene Vogelarten, Rentiere und Elche. «Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich die Natur meiner zweiten Heimat liebe. Sie tut meiner Seele unendlich gut.» Doch während sie von Lappland schwärmt, ist sie bereits dabei, ihre Abreise vorzubereiten, oft schweren Herzens. In wenigen Wochen wird die Powerfrau ihren Geländewagen packen und Richtung Süden in die Schweiz fahren, zurück zu ihren Wurzeln.

Barbara kommt aus dem beschaulichen Thun BE, wuchs dort  gemeinsam mit ihrer drei Jahre jüngeren Schwester Käthi in einer ländlichen Alpen-Idylle auf. Die Eltern Fritz (heute 80) und Meta (83) waren engagiert, liebevoll und naturverbunden, Wanderungen gehörten regelmässig zum Wochenendprogramm. Als Barbara flügge wurde, liess sie sich zur Marketingfachfrau ausbilden und machte Karriere in Bern.

Doch mit Ende 20 stellte eine Reise nach Lappland ihr Leben auf den Kopf. Sie machte auf einer Lodge dort eine Hundeschlittentour und war restlos begeistert. Sie verliebte sich erst in die faszinierende Weite des Nordkaps und die treuen Hunde – und dann in den Hundeschlittenführer Timo, mit dem sie gemeinsam die Lodge führen wollte. «Ich wandere aus», verkündete sie damals ihren Eltern, die sie von Anfang an regelmässig in ihrer neuen Heimat besuchten. «Unser Verhältnis war trotz der Entfernung immer innig und gut geblieben. Ich habe jeden Tag genossen, an dem ich mit ihnen zusammen sein konnte.»

Auch als nach sechs Jahren ihr Liebesglück zerbrach und Barbara ein Abenteuerleben mit mehrmonatigen Wandertouren in der ganzen Welt führte, blieb das Verhältnis zur Familie sehr eng. «Ich war regelmässig in der Schweiz und meine Familie regelmässig bei mir. Meine Eltern sind mir sogar bis nach Südamerika nachgereist und mit mir durch die Anden gewandert, und mit Käthi bin ich in Nepal unterwegs gewesen.»

Doch das ungewöhnliche Miteinander wird schwierig, als vor acht Jahren ihre Mutter krank wurde. Barbara hatte damals ein kleines Hotel gekauft und steckte bis über beide Ohren in Arbeit. Trotzdem wollte sie alles stehen und liegen lassen und in die Schweiz kommen. Aber der Vater winkte ab und kümmerte sich allein um seine Frau – viele Jahre lang. Immer im Hintergrund dabei war ihre Schwester Käthi, die alles machte, um die Eltern zu entlasten, während Barbara sehr engagiert für Reiseveranstalter arbeitete.

«Irgendwann kam ich mir egoistisch vor», verrät Barbara. «Meine Schwester kümmerte sich rührend und musste auf viel Freiraum verzichten, während ich hier oben mit meinen acht Hunden in der herrlichen Einsamkeit lebte und immer machen konnte, was ich wollte. Das passte nicht mehr.» Im Sommer fasste Barbara deshalb einen folgenschweren Entschluss. «Ich gehe zurück in die Schweiz und kümmere mich um meine Eltern.» In ihren Augen hatte sich Käthi eine Auszeit verdient.

Eine Zeitlang grübelte sie, wie der Rollentausch gehen könnte. «Es war nicht einfach, eine Lösung zu finden, die passt», gibt sie zu. Doch dann bekam sie über Freunde ein Angebot, das ihr spontan gefiel. Sie konnte ein Grundstück von einem Bauern mieten. Dort wird sie einen Wohnwagen aufstellen und Zwinger für die Hunde bauen, dazu den Selbstversorger-Garten ihrer Eltern nutzen. «Das passt und ist ideal für jemanden wie mich, der die Natur, die Ruhe und die Unabhängigkeit braucht», strahlt sie zufrieden.

Mittlerweile kann sie sogar ihr neues altes Leben kaum erwarten. Das Tiny House hat sie vermietet, um ihr riesengrosses Grundstück kümmert sich ein Freund. «Es wird schön sein, wieder viel Zeit mit meinen Eltern und meiner Schwester zu verbringen.» Worauf sie sich in der Schweiz speziell freut? «Die vertraute Sprache, die leckeren Beerentartes und natürlich meine geliebten Alpen. Es ist spannend, nach all den Jahren wieder dieses Heimatfeeling zu erleben.»