«Wir leben jeden Tag, als wäre es der letzte»

Die Hoffnung stirbt immer zuletzt: Das sagen sich auch die leidgeprüften Eltern von Fiete und Lilli, die beide an einer sehr seltenen und unheilbaren Erbkrankheit leiden.

Wenn ich morgens aufwache, ist meine grösste Angst, ob meine Kinder noch leben», erzählt Franziska (33).

Die dreifache Mutter, die mit ihrer Familie in Bremen (D) lebt, ist verzweifelt: Ihre drei Kinder wurden mit einem schweren Gendefekt geboren. Jonas (7), der älteste Sohn, trägt diesen zwar in sich, ist aber zum Glück gesund. Doch der sechsjährige Fiete und die erst 20 Monate alte Lilli leiden beide an diesem Gendefekt mit dem Namen NiemannPickKrankheit (siehe Box), die langsam verläuft und tödlich endet. «Was unsere Kinder und wir schon alles durchgemacht haben, kann man kaum in Worte fassen», sagt Familienvater Sascha (36).

Die Leidensgeschichte beginnt im April 2012 mit der Geburt ihres zweiten Sohnes. Der kleine Fiete ist sehr schwach, leidet an extremer Gelbsucht. EineOdyssee zu verschiedenen Ärzten beginnt, bis eine Leberbiopsie ergibt: Fiete hat eine akute Leberzirrhose, braucht dringend ein Spenderorgan.

Kurze Zeit später wird der Kleine, gerade mal sechs Wochen alt, zur Transplantation in den OP-Saal geschoben. Zwei Monate nach dem Eingriff können Franziska und Sascha ihr Baby endlich mit nach Hause nehmen. «Die Ärzte sagten uns, dass Fiete sein Leben lang Medikamente gegen die Abstossungsreaktion seines Körpers nehmen muss – aber er lebte! Darüber waren wir überglücklich», erzählt Franziska und fährt fort: «Zu dem Zeitpunkt kannten wir ja noch nicht die ganze grausame Wahrheit!»

Die Familie atmet also erst einmal auf, freut sich, als sich erneut Nachwuchs ankündigt. Diesmal ist es einMädchen, die Eltern nennen es Lilli. Doch wieder schlägt das Schicksal zu: In Franziskas 35.Schwangerschaftswoche fällt bei einem Organ-Screening auf, dass Lilli eine zu grosse Leber hat.

Die Ärzte holen die Kleine – vier Wochen vor dem Geburtstermin – per Kaiserschnitt und bringen sie sofort auf die Intensivstation. Lillis Haut ist extrem gelblich verfärbt, ihr Bauch ungewöhnlich dick. Doch die zahlreichen Untersuchungen ergeben – bis auf die Leberwerte – keine Auffälligkeiten. Und somit keine Diagnose.

«Nach unzähligen Arztbesuchen kam endlich einer der Mediziner auf die Idee, bei Sascha, Jonas und mir bestimmte Gentests durchzuführen», erzählt Franziska.

Und diesmal gibt es eine Diagnose – und zwar eine schreckliche: Lilli und Fiete leiden beide an «Niemann-Pick, Typ C». «Von dieser Krankheit hatten wir noch nie gehört. Und doch sind wir als Eltern beide Träger dieses seltenen Gendefektes», berichtet Franziska.

Und fährt unter Tränen fort: «Heute wissen wir, dass sich Fiete und Lilli mehr und mehr zurückentwickeln werden.» Dann versagt ihre Stimme. Sascha nimmt seine Frau tröstend in den Arm, sagt: «Seit der Diagnose leben wir jeden Tag so, als ob es unser letzter wäre. Ausserdem müssen wir für Jonas stark sein. Wir wollen die Wahrheit so lange wie möglich von ihm fernhalten. Und wer weiss, vielleicht geschieht ja noch ein kleines Wunder.»

Selten und unheilbar

Bei der Niemann-Pick-Krankheit werden im Stoffwechsel benötigte Fette nicht mehr aus der Zelle entfernt. Die Folge: Die Fette stauen sich und zerstören die Zelle. Die Symptome des extrem seltenen und unheilbaren Leidens sind nicht leicht einzuordnen. Im Säuglingsalter fällt oft eine Gelbsucht sowie eine Vergrösserung von Leber und Milz auf. Die Krankheit endet mit einem weitgehenden Verlust körperlicher und geistiger Fähigkeiten, ähnlich wie es bei Demenzpatienten der Fall ist.