«Wie ein Schlag mit dem Hammer ins Gesicht»

Die Ermittlungen im Mordfall Peggy Knobloch wurden nach 19 Jahren eingestellt. Das ist für die Mutter unfassbar, und es macht sie wütend.

Für die Staatsanwältin war das Fax, das sie an jenem Donnerstagmorgen in Bayreuth (D) abschickte, nur eine Formsache: Die Strafsache 120 Js 3120/18 wird eingestellt. Für die Nachrichtenagenturen bedeutete es allerdings viel mehr und wurde zur Eilmeldung: Im Mordfall Peggy, einem der mysteriösesten Kriminalfälle der vergangenen 20 Jahre, wird nicht mehr ermittelt. Selbst ausländische Medien berichteten darüber.

Für Peggys Mutter Susanne Knobloch (48) war die Nachricht wie «ein Schlag mit dem Hammer ins Gesicht», wie sie der «Bild am Sonntag» erzählte. Am 7. Mai 2001 war ihre Tochter (damals 9) auf dem Heimweg von der Schule in Lichtenberg (Bayern) verschwunden. Erst 2016 fand ein Pilzsammler Teile ihrer Leiche in einem Wald, rund 20 Kilometer von Peggys Heimatort entfernt.

Und jetzt geben die Ermittler auf. Obwohl sie einen Hauptverdächtigen ausmachten. Das kann Peggys Mutter nicht verstehen. Jahrelang galt der geistig behinderte Ulvi K. (42) als Täter, wurde  2004 verurteilt. Und zehn Jahre später wegen Ermittlungsfehlern freigesprochen. Immer wieder musste sich auch Peggys Mutter Susanne Knobloch gegen Verleumdungen und Verdächtigungen wehren − bis sich aus Ermittlungen von drei Sonderkommissionen, aus 6400 Spuren und 3600 Hinweisen der vermeintliche Täter herauskristallisierte: Manuel S. (43), Bestatter aus Lichtenberg, ist der Mann, auf den alle Indizien zu passen schienen, die die Ermittelnden 2016 am Fundort der sterblichen Überreste Peggys sicherstellten.

Sie entdeckten mitten im Wald Reste von Farben, die S. zum Zeitpunkt des Verschwindens benutzt hatte. Sie fanden Spuren von Blumenerde aus dem Baumarkt − S. hatte am 7. Mai Blumen gepflanzt. Angesichts der neuen Beweise sagte S. im September 2018 aus, er habe das tote Kind von Ulvi K. entgegengenommen. Später widerrief er dieses Geständnis, kam aus der U-Haft frei. Die Ermittlungen liefen weiter − bis im Oktober des vergangenen Jahres.

Einen Tag, nachdem alles zu Ende sein soll, steht Peggys Mutter im Nieselregen von Halle (D). Sie ist nach dem Tod ihrer Tochter in ihre Heimat zurückgekehrt. Jetzt sagt sie: «Ich hätte zumindest mit einer Anklage gerechnet. Selbst wenn es ein Freispruch geworden wäre, es wäre ein Stück Gerechtigkeit gewesen.» Doch im Fax der Staatsanwältin stand: Es sei keine Todesursache mehr feststellbar, es seien keine Zeugen mehr zu ermitteln. Übrig bleibe nur ein dringender Tatverdacht der Leichenbeseitigung, der aber verjährt sei.

Eine Leiche sowie ein Verdächtiger, der diese nach Auffassung der Staatsanwaltschaft wohl verscharrt hat – aber keiner, der das Mädchen getötet haben soll: Viele Fragen bleiben offen. «Zu viele für meine Familie», meint Susanne Knobloch wütend. «Wir haben lebenslänglich, der Tatverdächtige dagegen hat seinen Kindern beim Aufwachsen zusehen können.» 28 Jahre alt wäre Peggy heute. «Sie ist schon länger weg, als sie bei uns gewesen ist.»

Nicht einmal beerdigen konnte sie ihr Kind bis jetzt: Was von Peggy übrigblieb, liegt in einer Kühlkammer der Rechtsmedizin Jena. Susanne Knobloch hofft noch immer auf eine Klärung des Rätsels, wie sie der «Bild am Sonntag» sagte: «Und wenn es noch mal zehn Jahre dauert, aber vielleicht ist irgendwann der Punkt, wo man sagen kann: Jetzt!»