Weltraum-Anzug hilft Fabiano beim Gehen
Als Frühchen und mit Hirnschäden kam der Bub zur Welt. Die Eltern bangten um sein Leben. Heute erstaunt ihr Sorgenkind von einst sogar die Experten.
Der Bub greift an das Geländer, setzt vorsichtig einen Fuss vor den anderen. Langsam steigt Fabiano (9) aus Sickte (D) die Treppe zu seinem Zimmer hinauf. Ein kurzer Weg nach oben, ein riesiger Schritt für ihn. «Das ist für uns jeden Tag ein grosses Glück. Denn bis vor ein paar Jahren konnte unser Sohn nicht gehen», erzählt Mutter Marion Novello (46). Nun steht sie zusammen mit Ehemann und Vater Klaus (56) hinter ihrem Sohn und schaut mit leuchtenden Augen zu, wie er die Stufen erklimmt.
«Bisher mussten wir ihn mit seinen 40 Kilogramm tragen. Nun braucht er auf der Treppe nur noch wenig Unterstützung. Das ist für uns eine grosse Erleichterung.» Zu verdanken hat das die Familie einer ganz besonderen Therapie. Doch bis sich die Erfolge einstellten, war es ein kräftezehrender Weg. «Fabiano war ein Frühchen», sagt Mama Marion. «Ich litt an einer Schwangerschaftsvergiftung, er musste in der 30. Woche geholt werden. Leider kam er schwer krank zur Welt: Herz-Kreislauf-Probleme, Hirnblutungen, Schlaganfall, epileptische Anfälle, geistige Behinderung.» Drei Jahre war die Familie Tag und Nacht damit beschäftigt, Fabiano am Leben zu erhalten. In der Zeit, so die Eltern, sei ihr kleiner Sohn eigentlich nur körperlich anwesend gewesen, unfähig, auf irgendetwas zu reagieren.
Er wurde über eine Magensonde ernährt, bekam acht verschiedene Medikamente, vor allem gegen seine starke Epilepsie. «Seine linke Gehirnhälfte war so fest geschädigt, dass er alle paar Minuten gekrampft hat», sagt Marion. Kaum vorstellbar, wie viel Kraft und Energie das gekostet hat – aber sie kämpften tapfer um ihren Sohn. Und der bewies ebenfalls starken Willen. «Er hat uns immer gezeigt, dass er leben wollte, und wir sind glücklich, dass er auch heute – nach den vielen schlimmen Jahren – stets ein gut gelauntes Kind ist. Das hat uns letztendlich immer die Kraft gegeben, nicht aufzugeben.»
Fabianos Erkrankungen forderten aber auch immer wieder wichtige Entscheidungen. So wie vor sechs Jahren, als Marion und Klaus einer heiklen Operation zustimmten. «Bei dem zehnstündigen Eingriff wurden die Gehirnhälften voneinander getrennt. Die linke Hälfte krampft weiter – aber sie kann das nicht mehr auf die andere Seite übertragen. So konnten die Anfälle bei Fabiano gestoppt werden.» Aber damit war längst nicht alles ausgestanden. Auch die folgenden Jahre waren ein Kampf. «Wir haben verschiedene Ärzte aufgesucht, verschiedene Therapien probiert.» Dann, zufällig, sah die Mutter im Fernsehen einen Bericht über das Adeli Medical Center im slowakischen Piestany. «Die Erfolge der Behandlungen, bei denen sich mehrere Therapeuten täglich bis zu sechs Stunden mit den Patienten beschäftigen, hat uns sehr beeindruckt», sagen die Novellos. «Nicht falsch verstehen: Wir erkennen auch die Arbeit unserer Therapeuten an. Aber wir wollten es im Adelil Medical Center unbedingt versuchen.»
Ja, die ersten Tage waren anstrengend für Fabiano. «Er war mit seinen Kräften am Ende.» Dann aber hat er mehr und mehr Fortschritte in seinen Bewegungen gemacht, die viele Experten verblüfften. «Und plötzlich konnte er den nächsten Tag jeweils nicht erwarten.» Fabiano übte das Gehen in einem speziellen Raumfahrt-Anzug – eine Art Korsett, bestehend aus einem System von miteinander verbundenen Belastungs- und Stützelementen. Dadurch erreichen die Therapeuten eine Imitation des menschlichen Muskelsystems. Bei jeder Bewegung werden diese verstärkt als Information an das Gehirn geschickt und dort abgespeichert. So lernt der Körper Bewegungsabläufe, die er die Jahre vorher nicht kannte. Der Anzug wird von russischen Kosmonauten unter ihrer Kleidung im Weltraum getragen, damit sie ihre Muskelkraft in der Schwerelosigkeit nicht verlieren. Überhaupt ist Fabianos Therapie mit viel Bewegung verknüpft. «Die neue Vernetzung von Gehirnzellen führt bei ihm zu vielen positiven Effekten. Er bekommt dort auch Akupunktur, Massagen, Manualtherapie und Logopädie.»
Siebenmal war die Familie in den vergangenen Jahren in Piestany. Die Kosten von jeweils 5000 Euro sind eine grosse Herausforderung. «Wir wissen nach dem Aufenhalt nie, ob die Krankenkasse wenigstens einen Teil übernimmt. Es ist immer wieder ein Kampf. Aber den nehmen wir gerne in Kauf», sagen die Eltern und blicken stolz und dankbar auf ihren Sohn.