Wegen Mama gemobbt!

Alison Lapper kämpfte ein Leben lang für ihre ­Rechte und ihre ­Unabhängigkeit. Nun steht die Künstlerin vor ihrer härtesten Aus­einandersetzung: der mit dem Drogentod ihres Sohnes.

Die Statue der hochschwangeren, nackten Alison Lapper (54) gilt als eines der bedeutendsten britischen Kunstwerke der letzten Jahrzehnte. Sie stand von 2005 bis 2007 am Trafalgar Square mitten in London und zierte in Form eines gigantischen Nachbaus die Eröffnungszeremonie der Paralympics im Sommer 2012. Das Spezielle an der Skulptur: Model Alison kam ohne Arme und mit extrem verkürzten Beinen zur Welt.

Die Künstlerin aus Brighton kämpfte ihr ganzes Leben lang für ihre Unabhängigkeit und dafür, als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Auch als sie schwanger und vom Kindsvater verlassen wird: Sie erstreitet sich durch alle Instanzen das Recht, ihren Buben Parys grosszuziehen. «Ich bestand darauf, das, was ging, selbst zu tun. Ich gab ihm die Brust, wechselte die Windeln, lernte, ihn aufzuheben.»

Obwohl sie stets das Gefühl hatte, von den Behörden argwöhnisch beobachtet zu werden und beim kleinsten Fehler das Sorgerecht zu verlieren, gelang es ihr: Parys durfte bei ihr bleiben. Bis vor ein paar Tagen. Da wurde der 19-Jährige leblos in einem Hotelzimmer entdeckt. Todesursache: Überdosis. Schon länger kämpfte er mit Drogenproblemen.

Was ist passiert mit diesem Jungen, dessen Mutter das Leben trotz aller Widrigkeiten liebt und feiert? Der miterlebte, wie sie von Medien und Mitmenschen für ihre Stärke bewundert wird?

Er schämte sich für seine berühmte Mama! «Als er etwa 13 Jahre alt war, sagte er, es wäre ihm lieber, wenn ich nicht mehr an die Elternabende käme», erzählt eine schockierte Alison. «Ich war jeweils das grosse Showelement der Veranstaltung. Doch am nächsten Tag nahmen die Mitschüler Parys wortwörtlich auseinander.»

Er wurde depressiv. «Immer mehr Zeit verbrachte er online, hatte Probleme mit seinem Körper. Social Media ist ein Albtraum! Da gibt es immer jemanden mit einem grösseren Sixpack.»

Welche Ironie des Schicksals, dass Alison, die allen Grund hätte, ihren Körper zu hassen, ihrem Sohn nicht beibringen konnte, sich selbst zu lieben, wie er war. Dass Parys dem Leben nicht die Zeit und Chance gab, zu erkennen, welch tolle Mutter er hatte. Und wie viel wichtiger innere statt äusserer Schönheit ist.

Damit ihr Sohn nicht einfach als weiteres Drogenopfer in die Statistiken eingeht, forderten Alison und ihr Verlobter Si Clift Motorradfahrer aus dem ganzen Land zu Parys letztem Geleit auf. «Es sollte ein Höllenlärm werden», so Alison. Und sie kamen, die Männer und Frauen auf ihren Maschinen. In einem langen, lauten Konvoi.