Was geschah mit Raphaels Gehirn?

Raphael ist erst vier Jahre alt, als er im Berliner Virchow-­Klinikum stirbt. Für die Eltern sind es Behandlungsfehler, die zum Tod ihres geliebten Sohnes führen. Es ist eine Geschichte über den Verlust eines Kindes und die Grenzen der Medizin.

Es hat mit hohem Fieber angefangen. Monique (30) und Robin Paatz (36) fahren im März 2016 mit ihrem Sohn zum ersten Mal in das Virchow-Klinikum, das zur weltberühmten Charité gehört. Ra­phael wird untersucht, dann nach Hause geschickt. «Ein fataler Fehler. Er war sehr schwach», sagte die Mutter zur Zeitung «B.Z.».

Einen Tag später geht die damals 25-Jährige zum Kinderarzt. Dieser vermutet bei dem Buben Leukämie. Die Familie sucht wieder das Virchow-Klinikum auf. «Wir waren auf der Krebsstation. Raphael hatte so grosse Angst. Er fragte, ob er auch eine Glatze haben würde wie die anderen Kinder», erinnert sich die Mutter. Nach mehreren Untersuchungen kann beim Vierjährigen kein Krebs nachgewiesen werden. Die Diagnose lautet dagegen: Epstein-Barr. Dabei handelt es sich um eine Infektion durch Viren. Später wird bei ihm zusätzlich die gefährliche Erkrankung des Immunsystems HLH festgestellt. Raphael bekommt das starke Medikament Rituximab.

Aber danach geht es seinem kleinen Körper immer schlechter. Leber und Niere funktionieren nicht mehr. Monique Paatz wirft den Ärzten vor, sie nicht ausreichend über die Folgen des Medikaments aufgeklärt zu haben. Raphael wird ins künstliche Koma versetzt – und einen Tag später stirbt er. Die Todesursache ist laut Akte «ungewiss». Vermutet wird ein Multi-Organversagen.

Die Eltern erstatten daraufhin Strafanzeige bei der Polizei. Das LKA untersucht die Leiche und stellt fest, dass mehrere Organe im Körper des Jungen fehlen: das Gehirn, die Nebennieren und die Gaumenmandeln. Die Organe sind bis heute nicht auffindbar. Der Fall konnte nicht aufgeklärt werden, das strafrechtliche Verfahren wird eingestellt.

Vor kurzem war der Auftakt zum Zivilprozess am Landgericht. Es geht um die vermeintlich falsche Medikamentenabgabe und unzureichende Aufklärung über Risiken. Die Charité besteht darauf, keinen Fehler in der Behandlung gemacht zu haben. Der behandelnde Arzt sagt, er habe darüber aufgeklärt, dass der Patient nach dem Medikament auf die Intensivstation verlegt werden könnte. Die Eltern hätten davon ausgehen müssen, dass das auch den Tod von Raphael nicht ausschliessen würde. Monique und Robin sind schockiert. Nur die Charité-Onkologin Dr. Angelika Eggert findet tröstende Worte: «Mir tut es leid, was ihnen passiert ist. Es ist etwas sehr Schreckliches. Wir hätten medizinisch aber nichts anderes tun können.» Es gibt noch kein Urteil, das Gericht prüft eine Fortsetzung.