«Warum darf meine Mama nicht tot sein?»

Gerda Wiese verschwand vor fünf Jahren spurlos und fiel wahrscheinlich einem Verbrechen zum ­Opfer. Dennoch lehnen die Behörden den Antrag der Tochter ab, sie für tot zu erklären.

Gerda Wiese (67) hatte ihre Familie am Nikolaustag zum Essen eingeladen. Die ehemalige Sportlehrerin aus Priborn (D) legte eine Ente zum Auftauen in die Spüle. Es war das letzte Lebenszeichen der Seniorin. Seit dem 6. Dezember 2015 ist sie verschwunden. Spurlos. Ihre Tochter Uta Wenzel (49) leidet darunter. «Die derzeitige Situation erdrückt mich. Bitte erklärt meine Mutter endlich für tot!» Ein Wunsch, der wohl nicht so schnell erfüllt wird.

Kurz nach Gerdas Verschwinden gab es noch Hoffnung. Sie könnte einen Spaziergang gemacht und sich verlaufen haben. Oder verletzt im Wald liegen, wurde vermutet. Die Polizei suchte mit grossem Aufgebot die Wälder ab, die Gewässer – ohne Erfolg. «Aktenzeichen XY … ungelöst» berichtete über die Vermisste − vergeblich. Auch wenn Ermittlungen gegen einen Verdächtigen im Sand verliefen, geht die Polizei davon aus, dass Gerda Wiese getötet wurde. Einen Unfall sowie Suizid schliessen die Ermittler aus. Nicole Buchfink von der Polizei Neubrandenburg erklärte der «Bild am Sonntag»: «Die Ermittlungen sind ausgeschöpft, aber sie ruhen nur, sind nicht eingestellt.»

Im November 2020 − knapp fünf Jahre nach dem Verschwinden ihrer Mutter − stellte Uta Wenzel beim zuständigen Amt einen «Antrag auf Todeserklärung». Den lehnten die Behörden ab. In einem Schreiben vom 9. Dezember 2020 heisst es: «Der Antrag wird zurückgewiesen, da diese Todeserklärung derzeit nicht zulässig ist. Die 10-Jahres-Frist muss abgelaufen sein, wenn der Antrag gestellt wird.» Dies sei hier nicht der Fall, so das Schreiben weiter. Auch lägen Tatbestände, die zur Verkürzung der Frist führen – Krieg, Schiffsuntergang oder Flugzeugabsturz – «nicht erkennbar vor».

Uta Wenzel muss noch warten, bis der Antrag anerkannt wird. Es gibt auch einen praktischen Grund, warum dies für die Familie wichtig ist: «Mein Sohn wohnt im Haus meiner Mutter. Wir können keine Umbaumassnahmen durchführen, da ich das Haus ja nur verwalte, und mein Sohn bekommt auch keinen Kredit, ohne im Grundbuch zu stehen», sagte Uta Wenzel. Die Frau weiter: «Auch wenn es herzlos klingt, ich möchte abschliessen. Neulich bekam meine Mutter einen Brief für einen Impftermin. Offiziell lebt sie ja noch. In solchen Momenten kommt alles wieder hoch. Es ist die Hölle.»