Vanessas Babyglück nach Säure-Attacke

Vanessa Münstermann wurde von ihrem Ex-Freund entstellt. Jetzt wurde sie Mutter und ist gegen ihren Peiniger vor Gericht gezogen.

Es ist ein Bild voller Zärtlichkeit. Und ein Zeugnis, dass Liebe stärker ist als Hass! Seit dem Säure-Angriff ihres Ex-Freundes vor gut zwei Jahren ist die ­linke Gesichtshälfte von Vanessa Münstermann von Narben gezeichnet. Auch ein Auge hat die 29-Jährige aus Hannover (D) verloren. Und doch lächelt sie zufrieden und glücklich in die Kamera. «Überlebende» hat sie sich auf den rechten Arm tätowieren lassen, mit dem sie jetzt ihre Tochter festhält. Es soll das erste und letzte Mal sein, dass sie mit ihrem Baby posiert. Vanessa Münstermann sagte zur «Bild am Sonntag»: «Ich will nicht, dass sie oder ihr Vater in der Öffentlichkeit stehen.»

In Hannover läuft derzeit der Zivilprozess gegen ihren Peiniger. Sie hat den Mann, der ihr Schwefelsäure ins Gesicht schüttete, auf 250 000 Franken Schmerzensgeld verklagt. Kann diese Summe die Schmerzen lindern? Sie sagt: «Nein, das nicht. Aber meinen gelernten Beruf als Kosmetikerin kann ich nie wieder ausüben. Ausserdem wird mich niemand mehr einstellen, weil immer die Gefahr besteht, dass ich operiert werden muss oder krankheits­bedingt ausfalle. Ich will, dass es Daniel wehtut.» Der Säure-Attentäter Daniel F. sitzt seit August 2016 wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung im Gefängnis.

Ein Schwurgericht verurteilte ihn zu zwölf Jahren Haft. In seinem Urteil betonte der Richter, dass er Vanessa Münstermanns Leben auf «unerträglich schmerzhafte Weise» verändert und ruiniert habe. Für das Opfer ziehe das Verbrechen einen Rattenschwanz von Konsequenzen nach sich – von ständigen Schmerzen über starke körperliche Einschränkungen bis zu zahlreichen Spital-Aufenthalten.

«Nach 30 Operationen habe ich aufgehört zu zählen», sagt die junge Frau. Mit ihrem Aussehen hadere sie nicht mehr. Sie versuche, spielerisch mit ihrer Situation umzugehen. «Früher haben mich manche Leute angestarrt, weil ich rote Haare hatte. Heute gucken sie, weil mir ein Auge fehlt. Das macht mir nichts mehr aus.» Sie gehe weiter gern spazieren, fühle sich in der Öffentlichkeit wohl. «Ich habe das Gefühl, dass ich so geschützt bin», sagte sie in der «Bild am Sonntag».

Und dennoch holt sie die Vergangenheit immer wieder ein. «Vor wenigen Tagen war ich in einem Drogerie-Markt, um Windeln zu kaufen», erzählt Vanessa. Dort hatte sie einen Nervenzusammenbruch. Grund: Sie hatte einen Kunden mit Daniel F. verwechselt. «Als ich ihn sah, habe ich ­angefangen zu schreien», erinnert sie sich. Als klar wurde, dass es sich um eine Verwechslung handelt, habe sie sich bei dem Mann entschuldigt.

Nach solchen Situationen ist es ihr neuer Lebensgefährte und der Vater ihres Kindes, der sie wie­der auffängt. «Er gibt mir meine ­Sicherheit zurück.» In seiner Nähe ist ihr Leben wie vor dem Attentat. «Er war meine erste grosse Liebe. Ihm konnte ich wieder vertrauen.»

Dem Mann, der ihr Leben zerstören wollte, will sie nie wieder gegenüberstehen. Deswegen ist sie auch beim laufenden Zivilprozess nicht dabei. Sie sagt: «Ich will auch nicht so lange von meinem Kind getrennt sein.» Ihre Tochter könne sie ja nicht mitnehmen: «Ich habe Angst, wenn der Täter in der Nähe ist, dass er ihr etwas antut.» Deswegen fürchtet sie auch den Tag, an dem Daniel F. entlassen werden soll. Vanessa Münstermann: «Die dunklen Gedanken werden für immer zu meinem Leben dazugehören.» Sie sei derzeit dennoch ein Mensch, der das Leben liebe: «Ich bin glücklich, so wie es jetzt ist.»