«Unser schwer kranker Sohn macht unsere Liebe stark»

Das Ehepaar ist ständig in Angst, dass ihr 17 Jahre alter Bub Silvio ersticken könnte. Das ist eine harte Prüfung − auch für die Beziehung der beiden.

Ein Rascheln, ein Räuspern, ein leises Knarren des Bettes. Jedes noch so leise Geräusch reicht, um Monika (50) in Alarmzustand zu versetzen. Die Coiffeuse aus Wüstenrot (D) springt dann sofort auf und läuft zu ihrem Sohn Silvio (17) ans Krankenbett. Der Junge ist schwerstbehindert, leidet an einer hochgradigen Schlafapnoe (Atemstillstand) und hat einen verengten Rachenraum. «Er kann ganz schnell ersticken», erklärt sie. Sie muss deshalb bis zu 20 Mal in der Nacht bei ihrem Sohn die Beatmungsmaske kontrollieren.

Durchschlafen, ausruhen – seit zwölf Jahren gibt es das für Monika nicht mehr. Sie ist jede Nacht im Einsatz, 365 Tage im Jahr, ohne Ferien oder auch nur einen Tag Pause. Mittlerweile ist sie selber krank. «Aber mein Mann und ich, wir sind ein Dreamteam und geben uns die Kraft, die wir brauchen, um Silvio ein schönes Leben zu schenken.»

Die dramatische Geschichte beginnt im Sommer 2001. Damals bekommen Monika und Thomas (49), ein Lastwagenchauffeur, die Nachricht: «Sie erwarten ein Kind!» Die beiden sind überglücklich. Penibelst lässt Monika die Entwicklung des Ungeborenen kontrollieren. Nur auf die Fruchtwasseruntersuchung verzichtet sie. «Der Arzt hielt das nicht für nötig», erinnert sie sich. Doch als Silvio im Februar 2003 zur Welt kommt, überschlagen sich die Schock-Nachrichten. Der Junge leidet nicht nur am Down-Syndrom, sondern hat auch einen Herzfehler. Er muss operiert werden. Bei der OP kommt es zu Komplikationen. Die Folge ist ein irreparabler schwerer Hirnschaden. «Für mich ist damals eine Welt zusammengebrochen. Ich kann gar nicht sagen, wie viele Tränen ich geweint habe», sagt Monika. Thomas nickt gefasst: «Es war furchtbar!»

Doch Monika und Thomas lieben ihr Wunschkind über alles, wollen ihm ein schönes Leben ermöglichen. Sie kaufen sogar ein behindertengerechtes kleines Haus, damit sich die Nachbarn nicht an Silvios häufigem Schreien stören.

Doch trotz aller liebevollen Zuwendung verschlechtert sich der Gesundheitszustand des Jungen rapide. Als er fünf Jahre alt ist, kann er quasi nichts mehr allein. «Er sitzt seitdem im Rollstuhl, alles ist fixiert, er kann nicht allein essen, nicht trinken, nicht sprechen, eigentlich gar nicht reagieren», erklärt Monika und sagt dann aber fast schon trotzig: «Doch uns erkennt er. Das weiss ich genau. Er lacht uns sogar an.» Aber Paule, wie die Eltern den Jungen immer liebevoll nennen, muss auch künstlich beatmet werden. Doch solange er nicht einschläft, kommt er damit zurecht. Gefährlich wird es erst ab 19 Uhr, wenn Silvio ins Bett geht.

Dann muss Monika immer in seiner Nähe sein, auf jedes Geräusch hören. Sie schläft deshalb direkt neben ihm, versucht sich wachzuhalten, um immer reagieren zu können. Circa 15 bis 20 Mal steht sie Nacht für Nacht auf. In der Zeit dazwischen quält sie die Sorge, irgendwann ein Signal zu überhören und Silvio tot aufzufinden. «Die Angst, den Jungen zu verlieren, ist einfach zu gross.»

Obwohl sie sich tagsüber etwas hinlegt, bleibt der jahrelange Schlafmangel nicht ohne Folgen. Mit Monikas Immunsystem geht es ständig bergab. Sie hat häufig Beschwerden, leidet an nervösen Darmproblemen und Nervenschmerzen. «Ich weiss, dass ich meine Gesundheit ruiniert habe. Aber ich habe doch keine Wahl. Ich will einfach für Silvio da sein.» Die Möglichkeit, Silvio in ein Heim zu geben, lässt Monika nicht zu. «Niemals», sagt sie energisch und schüttelt dabei den Kopf. «Solange ich es irgendwie schaffe, bleibt er bei uns.»

Die Kraft dazu, immer weiterzumachen, gibt dem Paar die Liebe. Die, die sie ihrem Kind geben, und die, die sie sich gegenseitig schenken. Monika: «Obwohl für unsere Ehe nur ein paar Augenblicke am Abend bleiben, halten wir felsenfest zusammen. Wir sind trotz aller Belastungen eine glückliche Familie.»