Und plötzlich änderte sich das ganze Leben

Die Schweizer Obstbäuerin hatte sich mit ihrem Mann eine gut gehende Farm auf den Kanaren aufgebaut. Karins Leben änderte sich jedoch schlagartig, als ihr Gatte starb.

Wenn Karin ihre Orangen erntet, schliesst sie zwischendurch entspannt die Augen, atmet tief die herrliche Atlantikluft ein und geniesst den Moment. «Es ist einfach wunderbar, hier auf La Palma zu leben», sagt die 59-Jährige, die von den Auswirkungen des aktuellen Vulkanausbruchs nicht betroffen ist. «Schlimm – so viele Jahre habe ich das gar nicht mehr gesehen.»

Rückblick: Vor 17 Jahren kommt die Schweizer Obstbäuerin mit ihrem Mann Dirk auf die kanarische Insel. Die beiden Kinder sind erwachsen, den gut gehenden Gärtnereibetrieb am Bodensee haben sie aufgegeben. Auf einer 10 000 Quadratmeter grossen Farm im Landesinneren bauen sie exotische Früchte wie Orangen, Zitronen und Feigen an, dazu Gemüse und Trauben auf einem eigenen Weinberg. Ihr Traum ist, zum einen etwas Schönes zu schaffen, zum anderen Zeit für sich zu haben und das Leben zu geniessen.

Doch es kommt ganz anders. Der Obstbau ist aufwendig, sie müssen anfangs um Kunden kämpfen, auch die Bürokratie macht ihnen zu schaffen. Sie bewirtschaften das Gelände allein, versorgen zeitweise bis zu 50 Tiere, verkaufen ihre Waren in einem Hofladen und auf dem Markt.

Dann der Schock: 2017 wird ihr Mann todkrank, braucht Pflege, und Karins Leben ändert sich schlagartig. Für die Farm ist sie jetzt allein verantwortlich. Eine Zeit, die nicht ohne Folgen bleibt. Nach Dirks Tod ein Jahr später kommt der Zusammenbruch. «Ich wollte morgens aufstehen und konnte es nicht. Mein Körper rebellierte mit Schmerzen und Schwindel.» Der Notarzt bringt Karin in die Klinik. Diagnose: seelische und körperliche Erschöpfung. Ihre besorgten Kinder kommen, ein Nachbar hilft. Karin fühlt sich wochenlang wie weggeschaltet. Nach und nach findet sie Ruhe und damit Kraft, ihr Leben neu zu ordnen. Sie fliegt nach Deutschland, macht dort eine Kur und lernt dabei, dass es andere Werte gibt als Erfolg und Leistung.

Sie gönnt sich feste Ruhezeiten, spielt Klavier, liest viel, geht jeden Tag am Meer entlang. Ihre Farm läuft trotzdem gut. Karin glaubt, dass sie heute einen klareren Blick für das Wesentliche hat. Mittlerweile weiss sie, dass sie auf der Insel bleiben und allein weitermachen wird. «Ich habe richtig leben lernen müssen. Jetzt weiss ich, wie es geht und blicke nach vorn.»