Tragische Folgen einer Corona-Depression

Der Lockdown brachte den Vater eines einjährigen Sohnes um den Verstand. Er würgte den Buben bewusstlos, weil dieser einfach nicht aufhörte zu weinen.

Experten warnen schon lange eindringlich: Der Corona-Lockdown macht viele Menschen psychisch krank. Gerade für junge Familien kann das gefährlich sein. Wie gefährlich, zeigt ein Prozess in Lübeck (D). Angeklagt ist ein Mann, der sein Söhnchen töten wollte. Grund: eine Corona-Depression.

Christian H. (37) kommt an Krücken ins Landgericht Lübeck. Er sitzt seit der Tat am 29. April 2020 in Untersuchungshaft. Im Prozess wegen versuchten Totschlags ist er voll geständig. Nun sagen seine Ehefrau und seine Schwiegermutter aus, sie halten zu ihm. Der Fall: Ende April 2020 ist Deutschland seit sechs Wochen im Lockdown. Schulen, Kitas, Läden, Betriebe und die Gastronomie sind geschlossen, selbst Spielplätze sind gesperrt. Kontaktverbot und Maskenpflicht gelten.

Seit März ist der kaufmännische Angestellte Christian H. in Elternzeit, kümmert sich um seinen Buben Alexander (damals 14 Monate alt). Die Ehefrau geht dafür, nach einem Jahr, wieder arbeiten. Die Ehe war bis dahin harmonisch, der Sohn ein Wunschkind. Aber zu Hause kommt Christian H. mit dem Lockdown, mit sich und dem kleinen Alexander nicht klar. Er weiss nicht, wie er den Jungen den ganzen Tag beschäf­tigen soll, sie können nirgendwo hin, nicht mal mehr zum Spielplatz. Christian H. wird «immer dünnhäutiger», sagt die Ehefrau vor Gericht. Er machte sich Sorgen um die Zukunft. Auch darum, ob er seinem Sohn genug Obst gibt und das Haus sauber genug hält.

«Immer öfter sass er in dieser Zeit teilnahmslos auf dem Sofa, war wie ein Geist», sagt die Ehefrau in «Bild am Sonntag». Christian H. ist nicht mehr er selbst, die Angst wegen Corona macht ihn depressiv. Das bestätigt später auch ein Gutachten. Am Ostersamstag sagt er am Esstisch plötzlich: «Ich dreh gleich durch!» Die Schwiegermutter bringt Christian H. an die Uniklinik Kiel. Er braucht dringend fachärztliche Hilfe. «Es ging ihm nicht gut, er war sehr überfordert», berichtet die Schwiegermutter als Zeugin im Prozess.

Aber die Ärzte hätten Christian H. nur Medikamente verschrieben, ihn nicht aufgenommen. Eine Woche später verschreibt die Hausärztin dem Familienvater Antidepressiva und Schlafmittel. Das alles hilft nicht. Corona ist stärker als alle Pillen. Am 29. April macht Christian H. morgens noch die Wäsche, deckt sogar den Frühstückstisch. Und ein paar Stunden später versucht er, sein Kind zu töten. Was ist da nur passiert? «Alexander hörte nicht auf zu weinen. Ich wusste nicht, warum.» Und dann sein Schock-­Geständnis: «Ich packte ihn an der Gurgel, drückte mit zwei Händen etwa 30 Sekunden zu. Er verdrehte die Augen, Blasen kamen aus dem Mund. Ich nahm keinen Atem mehr war. Dann wollte ich ihm das Genick brechen, den Kopf um 180 Grad drehen.» Das misslang zum Glück.

Danach springt Christian H. in sein Auto, rast auf der Autobahn absichtlich mit hohem Tempo in die Leitplanken. Er überlebt, springt dann auf der Fahrbahn vor ein Auto, wird angefahren. Der Vater überlebt mit schweren Beinverletzungen. Auch der Sohn zu Hause lebt. Der Junge wird sogar wieder ganz gesund. Ein Wunder!

Im Prozess kann Christian H. auf eine milde Strafe hoffen, weil er wohl stark vermindert schuldfähig war. Seine Ehefrau hat ihn in der JVA besucht, steht zu ihm. Sie sagt den Richtern: «Ich liebe meinen Mann und kann mir vorstellen, dass er zurück nach Hause kommt, wenn er eine Therapie gemacht hat.»