So findet ein blinder Hund seinen Weg

Alleine wäre Amos völlig hilflos. Dank Border Terrier Toby kann er ein fast normales Hunde-Dasein leben. Denn der führt seinen vierbeinigen Freund und sieht für ihn.

Sie flitzen miteinander über Stock und Stein in unwegsamem Gelände oder auf Trottoirs in der Grossstadt, gefährlich nah an vorbeifahrenden Autos. Dabei hält sich Amos immer ganz nah bei Toby, damit er ihn spüren kann. Denn Toby ist seine Leitplanke, ohne ihn würde er seinen Weg nicht finden.

Amos kam Anfang 2018 in einem Tierheim zur Welt – blind. Jess Martin (27), Angestellte bei der Feuerwehr Manchester, machte damals ein Praktikum in der Einrichtung. Sie wusste, dass Amos es schwierig haben würde, ein gutes Plätzchen zu finden. Deshalb nahm sie ihn selbst auf.

Ein bisschen Sorgen machte sie sich schon. Denn zu Hause wartete Border Terrier Toby, seit neun Jahren ihr Ein und Alles: «Toby ist sehr selbständig und hat gerne viel Raum für sich. Deshalb fürchtete ich, dass er das neue Familienmitglied nicht akzeptieren würde.» Tatsächlich knurrte Toby den völlig eingeschüchterten, hilflosen Welpen zuerst an, dann ignorierte er ihn. Jess erinnert sich: «Beim Rückzug rannte Amos immer wieder mit dem Kopf gegen Wände und Türen. Es war schrecklich.»

Auch Ausflüge mit den beiden waren anfangs problematisch. Im Tierheim hatte Amos während seiner Welpenzeit die Sozialisierung mit anderen Hunden nicht lernen können. «Wenn sich fremde Hunde ganz freundlich und mit Schwanzwedeln näherten, wollte er nichts mit ihnen zu tun haben», sagt Jess. Die Kommunikation zwischen dem blinden und den sehenden Vierbeinern funktionierte offenbar nicht.

Lange sah man Amos sein Handicap auch nicht an, denn er hatte seine Augen noch. Auf Rat des Tierarztes liess Jess sie wegoperieren, weil sie einen schmerzhaften Druck ausübten.

Irgendwann bemerkte Toby, dass mit seinem neuen Begleiter etwas nicht stimmte. Und dass der ihm nie die Stellung im Haushalt streitig machen würde. «Eines Tages beobachtete ich etwas, das mir die Tränen in die Augen trieb», erinnert sich Jess. «Amos fand sich in der Wohnung schnell alleine zurecht. Doch dann ging er einmal zum Platz, wo gewöhnlich der Wassernapf steht.» Jess hatte das Wasser beim Saubermachen in ein anderes Zimmer gestellt. «Amos stand mit gesenktem Kopf vor dem leeren Platz. Da stupste Toby ihn an und führte ihn zum Napf.» Er hatte damit endgültig seine Aufgabe als Freund und Beschützer seines blinden Hausgenossen gefunden.

Inzwischen beschützt er ihn auf Spaziergängen vor anderen Hunden, denn mit dem Kontakt zu Artgenossen hat Amos immer noch Probleme. Und Toby lässt zu, dass Amos stets fest an ihn geschmiegt schläft. Der Körperkontakt zu seinem besten Freund und Helfer ist überlebenswichtig für Amos. Es gibt kaum ein Bild oder Video, auf dem sich die beiden nicht berühren.