Ultimatum
So brachte sie ihren Mann vom Alkohol weg
Erst als Bernadette ihm ein Ultimatum stellt, mit dem Trinken aufzuhören, merkt Ulrich, wie ernst die Lage ist. Und dass er seine Familie verlieren könnte.
Beim Besuch bei Bernadette (55) und Ulrich (56) in ihrem Heimatort Viersen in Deutschland zeigt sich ein Paar, das enge Verbundenheit ausstrahlt. Sie lächeln einander zu, die Hände fest ineinander verschlungen. Es ist, als stünde noch immer jenes Versprechen im Raum, das sie sich vor 25 Jahren gaben: sich lieben, achten, ehren. An guten wie an schlechten Tagen.
Schlechte Tage gab es damals viele. Tage voller Zweifel. Tage, an denen ihre Beziehung tiefe Risse bekam. Tage, an denen Ulrich der Alkohol wichtiger war als die Liebe. Sein Weg in die Sucht verläuft schleichend. Ulrich feiert gern, ist auf Partys der Erste, der kommt, und der Letzte, der geht. Sorgen macht sich Bernadette deshalb nicht. Warum auch. Es trinken doch schliesslich alle.
2004 ändert sich das. Immer öfter verschwindet Ulrich nun direkt nach der Arbeit in der Garage, um «zu werkeln». Nachts dreht er im Promillerausch die Musik auf. Und manchmal ist er so verkatert, dass Bernadette ihn morgens bei seinem Chef entschuldigt. «Er nahm auch kaum noch am Familienalltag teil», sagt sie. «Alles blieb an mir hängen. Und wenn er mal wieder sturzbetrunken im Flur einschlief, hievte ich ihn ins Bett, damit die Kinder ihn nicht so sahen.»
An vielen dieser schlechten Tage schwört sich Ulrich aufzuhören. Aber die Sucht hat ihn längst im Griff. Bei der Arbeit zählt er die Minuten bis zum Feierabendwein. «Ich war abends oft unerträglich, brauchte den Alkohol, um wieder in Form zu kommen.» Erst reicht dafür eine Flasche Wein. Später braucht er drei, manchmal sogar vier. «Um zu vertuschen, wie viel ich trank, liess ich überall Flaschen offen herumstehen. Und weil es mir selbst zu peinlich war, das Altglas zu entsorgen, baute ich meinen Söhnen einen Anhänger fürs Kettcar. Die fuhren damit zum Container und hatten einen Heidenspass, weil es beim Einwerfen so schön klirrte.»
Immer wieder versucht Bernadette, ihn zu einer Therapie zu bewegen. Sie ist verzweifelt. Weil sie ihn liebt und ihm doch nicht helfen kann. Erst eine Nacht im Jahr 2007 ändert alles. Es gibt Streit. Ulrich ist so betrunken, dass er im Rausch eine Glastür einschlägt. Seine Mutter, die zu Besuch ist, versucht zu schlichten. Ulrich schubst sie weg, sie stürzt. «Sie blieb zwar unverletzt», sagt er mit leiser Stimme, «aber ich verzeihe mir das bis heute nicht.»
Noch in dieser Nacht stellt ihm Bernadette ein Ultimatum: deine Familie oder der Alkohol. Und endlich ist Ulrich bereit, sich helfen zu lassen. Auf die Entgiftung folgte eine Therapie über 16 Wochen. «Papa in der Klinik zu besuchen, war seltsam», sagt Sohn Justus (heute 24). «Klar haben wir mitbekommen, dass er nach dem Kegeln öfter überdreht war, aber jetzt stand fest, dass er wirklich krank ist.» Als Ulrich damals nach Hause kommt, fragt ihn Justus, ob sie zusammen «Elfer raus» spielen. «Wir haben noch nie Karten gespielt», sagt Ulrich verwirrt. «Warum jetzt auf einmal?» Und Justus antwortet: «Weil du doch jetzt wieder einer von uns bist, Papa.» Ulrich schiessen Tränen in die Augen. Weil ihm plötzlich klar wird, wie viel er verpasst hat.
Ulrich ist inzwischen seit elf Jahren trocken und will etwas von der Hilfe, die er erfahren hat, zurückgeben. «Die Zeit, die ich früher am Tresen verbracht habe, verbringe ich jetzt ehrenamtlich als Gruppenleiter in der Selbsthilfe.» Er ist sicher: Wäre Bernadette nicht gewesen, er wäre noch viel tiefer abgerutscht. «Dass sie mir verziehen hat, ist nicht selbstverständlich. Bernadette war immer an meiner Seite. Sie hat an mich geglaubt. Einen grösseren Beweis für die Liebe kann es nicht geben!»