Schuldig, weil er das Leben seiner Tochter retten wollte

Ein Vater raste mit seinem bewusst­losen Kind zur Notaufnahme. Und wurde dafür hart bestraft – trotz Polizei-Eskorte!

Von A. Wegener und T. Kindel

Es steht zwar in Grossbuchstaben über dem Dokument, doch dieses Urteil ist für viele sicher nicht «im Namen des Volkes»!

Der Siegener Amtsrichter hat einen Autofahrer wegen «vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit» verurteilt – dabei war dieser mit seiner bewusstlosen Tochter (2) auf dem Weg ins Krankenhaus, wurde sogar von der Polizei eskortiert!

Der Fall: Strassenbauer Bedri Baftijari (32) kam am 18. Januar dieses Jahres gerade von der Arbeit nach Hause. Seine schwangere Frau Hamide (25) machte Essen, Sohn Auran (3) und Tochter Auresa (2) spielten im Wohnzimmer. «Plötzlich verdrehte die Kleine die Augen», erzählte der Vater der «Bild am Sonntag»: «Dann lag sie bewusstlos auf dem Boden.» Bedri Baftijari handelt sofort: Er bringt das Kind zu seinem Auto und fährt mit seiner Frau und einem Bekannten los, Richtung Klinik.

Auf einer Umgehungsstrasse an einem Industriegebiet, auf der Tempo 50 erlaubt ist, wird der besorgte Vater um 16.43 Uhr geblitzt! Das bemerkten auch zwei Polizisten in einem Zivilwagen. Polizeisprecher Stefan Pusch (53): «Die Kollegen hielten den BMW an. Sie erkannten schnell, dass das Kleinkind dringend medizinische Hilfe braucht.» Deshalb eskortierten die Beamten Baftijari mit Blaulicht zur Klinik! Die Polizisten protokollieren später: «Hilfe gewährt. Bei Anhalten hatte eine Person ein Kind, welches ganz blass und abwesend war, auf dem Arm. Augenscheinlich musste dieses schnellstmöglich medizinisch behandelt werden.»

Die Ärzte untersuchen Auresa, stabilisieren sie mit Medikamenten. «Es stellte sich heraus, dass es ein Fieberkrampf war. Zwei Tage musste die Kleine in der Klinik bleiben», sagt der Vater.

Am 16. Februar brachte der Briefträger den Bussgeldbescheid. «Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h.» Die Strafe: 348,50 Euro und ein Monat Fahrverbot. Bedri Baftijari: «Ich habe Einspruch eingelegt. Ich dachte, damit wäre das erledigt. Wir hatten ja Polizisten als Zeugen.»

Ein Irrtum − der Fall landete vor dem Amtsgericht Siegen (D). Direktor Dr. Paul Springer leitete die Verhandlung. Und fällte das Urteil: schuldig! Das Fahrverbot von einem Monat bleibt bestehen. Nur das Bussgeld wurde auf 260 Euro reduziert. Begründung des Richters: Die Gefahr hätte etwa durch die «Inanspruchnahme des Rettungsdienstes» abgewendet werden können.

Das war dem Albaner, der seit zwei Jahren in Deutschland lebt und kaum Deutsch spricht, schwer möglich. Im Urteil heisst es dazu, dass er unter «Zuhilfenahme von anderen Personen» die Retter hätte rufen können.

Auch andere Einwände wie einen rechtfertigenden Notstand hatte der Richter geprüft. Ergebnis: Die zu schnelle Fahrt sei kein «geeignetes Mittel» gewesen. Papa Bedri: «Ich bin kein Raser, es ging um Leben oder Tod. Jeder Vater kann das verstehen.» Das findet auch sein Anwalt Stefan Znamenak (69): «Man hätte von der Strafe absehen müssen, da es einen rechtfertigenden Grund gab. Der Vater wie auch die Polizisten gingen von einem Notfall aus. Deshalb haben wir Beschwerde eingelegt.» Jetzt muss das Oberlandesgericht entscheiden.