Raus aus der Hölle ihrer Kindheit

Ihr tyrannischer Vater machte Svenja Wagners Familie zunichte, das Jugendamt unternahm nichts. Sie erzählt, wie sie heute trotzdem ein glückliches Leben führt.

Ein Sommernachmittag, der Svenja Wagner (49) aus München (D) im Gedächtnis geblieben ist: «Die Luft duftet nach Wald. Ein Marienkäfer landet auf meinem Arm, seine schwarzen Fühler kitzeln. Als er sich in die Luft gleiten lässt, habe ich nur einen Wunsch: dass ich den nächsten Tag wieder mit Mami herkommen darf und den übernächsten Tag und immer so weiter, bis ich gross bin.»

Erinnerungen wie diese sind für die Tochter zweier Lehrer kostbar. Ihr Elternhaus ist der Schreckensort, an dem ihr Vater erst die geliebte Mutter und später sie selbst verprügelte und demütigte. Immer wenn er mit etwas unzufrieden war, schlug er brutal zu, seine Eltern standen hinter ihm: «Opa verdrehte meiner Mutter die Arme auf den Rücken, und Papa landete gerade einen wuchtigen Boxschlag in ihrem Gesicht.»

Bereits mit fünf Jahren geriet Svenja in die Spirale der Gewalt. Ihr Bruder war noch zu klein, um zu begreifen. Svenja erinnert sich traurig: «Nie sollte er die Chance haben, meine Mutter so zu sehen, wie sie war eine tiefgründige und lebensfrohe, sprühende junge Frau, die von meinem Vater systematisch zerstört wurde.» Letztendlich zerbrach die Mutter an der Gewalt ihres Mannes und brachte sich um.

Und Svenja? Während ihr Bruder beim Vater blieb, kam sie zu dubiosen Pflegeeltern. Ihr Pflegevater missbrauchte sie. Das Mädchen suchte Hilfe beim Jugendamt und wurde abgewiesen. Es folgten viele weitere Jahre des Leidens. Erst mit fast 50 veröffentlichte Svenja ein Buch, in dem sie ihr Schicksal verarbeitete. Es soll aufrütteln und ermutigen, sich zu wehren. Auch wenn ihre Ver­gangenheit sie nie ganz loslässt – verlernt zu lieben hat sie nicht. ­
In Marco fand sie ihren Seelen­verwandten. Zum Glück.