Plötzlich in Todesgefahr

Auch in Afghanistan kann man normal leben. Das zeigt ein junges Paar der ganzen Welt. Als die Taliban das Land einnehmen, ge­raten die zwei deshalb ins ­Visier des Terror-Regimes.

Die radikal-islamische Gruppe der Taliban reisst am 15. August dieses Jahres die Macht in Afghanistan an sich. Alle fremden Truppen, Ausländerinnen und Ausländer verlassen das Land. Auch Qudratullah Rajavi (28) and Rana Yazdanpanah (29) möchten weg, denn sie wissen: Ihr Leben ist in Gefahr.

Die beiden sind ein modernes, liberales Paar. Ihr Verhängnis sind Videos, die sie in der Vor-Taliban-­Zeit fürs Internet drehen: «Wir wollten der Welt zeigen, dass man in Afghanistan ein glückliches, normales Leben führen kann, wie an anderen Orten auch.» Rana arbeitet als Verwaltungsleiterin der Regierung und betätigt sich nebenbei als Model und Schauspielerin. Qudratullah ist Übersetzer und selbständiger Filmemacher. Die Kurzfilme zeigen die beiden beim Wandern, Streichespielen, gemeinsamen Kochen oder Velofahren.

Gerade Letzteres ist in Afghanistan verpönt für Frauen. Trotzdem setzt sich Rana vor einem Jahr demonstrativ auf ein Velo: «Wir sind durch die Strassen ­Kabuls gefahren, um den Respekt für Frauen zu fördern», erklärt ihr Ehemann. Die gesamte einheimische Presse berichtet über diesen Tabubruch. Auch die anderen ­Videos kommen in ihrer Heimat nicht überall gut an: «Es ziemt sich nicht, dass Frauen sich in ­Videos selbst zeigen und dabei ­lachen oder Sachen tun, die Spass machen.» Ebensowenig wird goutiert, dass ein Mann kocht.

Ihr zur Schau gestelltes, mo­dernes Leben macht Rana und Qudratullah zum Ziel der Taliban: «Wir wussten, dass sie früher oder später nach uns suchen werden», sagt Qudratullah. Sie hören von Taliban-Kämpfern, die von Haustür zu Haustür gehen und alle exekutieren, die sie als Feinde betrachten. «Wir waren zum Glück gerade weg, als sie bei uns vorbeikamen.» Doch sie können jederzeit wiederkommen.

Eine Freiwilligenorganisation hilft dem Paar, das Land zu verlassen. Bei Nacht und Nebel fliehen sie mit ihrem sechs Monate alten Baby. Sie wechseln ständig ihre Unterkunft, schlafen oft draussen, um ihren Häschern zu entgehen. Dann endlich die Erleichterung: Sie sitzen in einem Flugzeug, das sie nach Katar auf eine ehemalige US-Militärstation bringt. Nun sind sie in Sicherheit, doch ihre Zukunft liegt im Dunkeln. Die Familie hofft, Asyl in den USA zu finden, wo sie sich ein neues Leben aufbauen will.