«Ohne meine Nachbarin hätte ich mich zu Tode getrunken»

Elke kümmert sich seit fünf Jahren um den alkoholkranken Uwe. Heute ist er trocken und ihr dankbar – er hat den Weg aus der Hölle der Sucht gefunden.

Jeden Tag geht Uwe (47) spazieren. Raus, an die Luft, Mischling Benni an der Leine. Der kleine Hund gehört ihm nicht. Sondern Elke (58), einer Nachbarin, die doch so viel mehr ist: Elke ist Uwes rettender Engel. «Ohne sie», sagt der Arbeitslose aus Höxter (D), «würde es mich heute wohl nicht mehr geben.» Ein Satz, der die bescheidene Elke fast zu Tränen rührt. «Hätte das nicht jeder getan?», fragt sie leise. Eine gute Frage – die wohl nur jeder für sich selbst beantworten kann. Elke jedenfalls musste nicht lange überlegen, damals, an diesem denkwürdigen Oktobertag vor fünf Jahren.

Die Reinigungsfachfrau war gerade auf dem Heimweg, sie betreut stundenweise eine alte Dame in der Nähe. Vor dem Haus sprach sie plötzlich jemand an: Uwes älterer Bruder. Er fragte, ob sie sich auch um seine Mutter und seinen jüngeren Bruder kümmern könnte. Elke sagte zu, aber sie ahnte nicht, was auf sie zukommen sollte: «Als ich in das Haus kam, liefen mir Ratten über die Füsse. Alles war voller Müll, und es stank fürchterlich», erzählt sie. Uwe und seine Mutter waren vom Alkohol gezeichnet, wohnten im Elend. «Sie hatte nicht einmal ein Bett», erinnert sich Elke, «Uwe schlief auf dem Boden. Anna auf dem Sofa. Sie hatte keine Decke.»

Doch Elke sah auch Uwes Augen: Sie blickten hoffnungslos. Und leise murmelte er: «Helfen Sie uns?» Und Elke nickte nur. «Ich wusste: Hier werde ich wirklich gebraucht.» Doch sie hatte eine Bedingung: «Wenn ich euch helfen soll, hört ihr auf zu trinken. Sonst gehe ich sofort.»

Was dann geschah, hat die resolute Frau mehr als überrascht: «Uwe stand auf, nahm die Flaschen vom Tisch und schüttete den Schnaps weg.» Elke kaufte noch am selben Tag von ihrem Geld eine Decke für Anna und schaffte etwas Ordnung in der Wohnung. Dann ging sie direkt zum Gericht und beantragte die Vormundschaft für die beiden. Doch damit war es nicht getan. Uwe und Anna mussten lernen, wieder ein normales Leben zu führen. Ohne Alkohol! Geld einteilen, einkaufen, kochen, den Haushalt in Schuss halten. Elke begleitete die beiden. «Ich habe alles mit ihnen geübt.»

Bezahlt wird sie dafür nicht, nur eine jährliche Aufwandsentschädigung von knapp 400 Euro erhält sie. «Aber Uwes strahlende Augen zu sehen, ist Lohn genug.» Sie ist stolz auf ihren Schützling. Selbst als 2013 seine Mutter starb, wurde er nicht rückfällig. Heute lebt Uwe in einer hübschen Zweizimmerwohnung. «Alles ist perfekt, das macht er allein», sagt Elke. Auch seinen Tagesablauf hat sie strukturiert. «Jeden Morgen kommt er zu uns, trinkt seinen Kaffee und geht dann mit Beni spazieren.» Die frische Luft tut ihm gut. Uwe fühlt sich heute stark genug, um wieder zu arbeiten – als Gärtner oder Hausmeister. «Doch niemand gibt ihm eine Chance. Er ist für alle nur ‹der Trinker›», erzählt Elke. Deshalb geht sie jetzt engagiert an die Öffentlichkeit. «Ich habe nur getan, was alle tun sollten. Ich möchte, dass man Uwe eine
Arbeit gibt. Er hat verdient, dass man an ihn glaubt.»


UPDATE: Uwe hat jetzt einen 1€-Job im Altersheim.