Mutig gegen Intoleranz

Das kleinwüchsige Paar Alyssa und Jonathon kämpft gegen Vorurteile – besonders solche, die ihr Recht auf eine eigene Familie in Frage stellen.

Sind das Zwillinge?» Diese Frage hört Alyssa Biddle (29) praktisch jeden Tag. Sie und ihr Verlobter Jonathon Tripp (40) sind Eltern zweier Mädchen, die nur auf den ersten Blick ähnlich aussehen. In Wahrheit aber haben sie körperlich kaum Gemeinsamkeiten bis auf die blonden Haare: Sienna (3) ist kleinwüchsig, Bonnie (22 Monate) nicht. Das ist der Grund, warum die zwei trotz verschiedenen Alters praktisch gleich gross sind. Bonnie wird Sienna bald überragen. Und ihre Eltern auch.

Denn anders als die ältere Tochter hat die Jüngere die genetisch bedingte Disposition ihrer Eltern, die beide von Kleinwüchsigkeit betroffen sind, nicht geerbt. Alyssa Biddle wird ständig in Gespräche über ihre ungewöhnliche Familie verwickelt. Doch das stört sie nicht, genauso wenig wie starrende Blicke: «Natürlich sehen wir anders aus, da schaut man hin», sagt sie. «Und ich bin absolut offen, mit anderen Menschen über uns und unseren Alltag zu sprechen. Ich finde es sogar ziemlich lustig, was ich manchmal zu hören bekomme.» Vor allem aber ist es ihr wichtig, jede Gelegenheit wahrzunehmen, um die Leute zu sensibilisieren und aufzuklären: «Wir haben keine Krankheit. Es gibt klein gewachsene Menschen, die als Mediziner, Juristen und in allen anderen möglichen Berufen arbeiten.»

Ablehnende Reaktionen haben sie und ihr Mann kaum je erlebt, als sie ihre Familie planten. «Aber ich kenne viele andere Paare, die sich anhören mussten, dass es unverantwortlich sei, mit einer solchen Veranlagung Kinder zu haben und sie dem Risiko auszusetzen, diese zu erben.» Biddle und ihr Verlobter sehen nichts Negatives in der Kleinwüchsigkeit und finden deshalb, dass niemand ihren Wunsch nach Nachwuchs in Frage stellen darf. Sie sind sich zwar bewusst, dass Sienna gemobbt werden könnte, doch sie sind zuversichtlich, dass ihre Tochter stark genug sein wird für alles, was auf sie zukommt. «Wir fürchten uns nicht wirklich, wir sind uns einfach bewusst, dass das passieren kann. Alles, was wir als Eltern tun können, ist, sie zu einer selbstbewussten Frau zu erziehen, an der negative Reaktionen abprallen.»

Dieser Optimismus fusst auf den eigenen Erfahrungen der Eltern. «Wir hatten beide eine schöne Kindheit und Jugend», erinnert sich Biddle. «Ich hatte eine richtig dicke Haut, sodass mich nichts wirklich gequält hat, ich konnte mit Mobbing umgehen. Obwohl manche Kinder wirklich fiese Dinge zu mir sagten.»

Ebenfalls keine Bedenken hat Alyssa, dass das Aufziehen ihrer «normal» gewachsenen Tochter Bonnie problematisch werden könnte. «Wir müssen einfach achtsamer sein mit der Einrichtung, denn Bonnie erreicht bereits Dinge, an die Sienna nicht herankommt – obwohl sie fast zwei Jahre Altersdifferenz haben.» Doch das könne auch zu einem Vorteil werden, meint sie lachend: «Es wird hilfreich für uns alle, wenn jemand in der Familie Sachen in der Höhe leicht herunterholen kann.»

Biddle ging mit ihrer Geschichte absichtlich an die Öffentlichkeit. Nicht nur, um das Verständnis für kleinwüchsige Menschen zu fördern, sondern um allen, die wegen ihrer Andersartigkeit auf Widrigkeiten stossen, Mut zu machen.