«Meine Übelkeit war ein Herzinfarkt»

Die Geschichte von Michel ­Lange zeigt, dass es lebensgefährlich sein kann, Symptome falsch einzuschätzen.

Michel Lange (51) fühlte sich immer kerngesund, er arbeitete hart und schwer als Monteur für Solarmodule. Zu Ärzten ging der Deutsche nie gern. Als ihm eines Tages während der Arbeit auf einem Dach schlecht wurde und er Atemnot und Übelkeit bekam, dachte er wohl wegen der Lockdown-Massnahmen damals zuerst an Corona. «Das konnte man ja zu der Zeit überall lesen, dass es bei Corona auch solche Symptome gibt.»

Eine folgenschwere Fehleinschätzung: Lange blieb zu Hause, hoffte darauf, dass es ihm bald besser gehen würde. Nach zwei Tagen ging es ihm aber zusehends schlechter, seine Freundin, eine Krankenschwester, rief den Notarzt, erzählte vom Corona-Verdacht. «Die kamen in voller Seuchenschutz-Montur, sahen aus wie Raumfahrer», erinnert sich Lange heute. Der Arzt untersuchte ihn, nahm dann die Maske ab und sagte: «Sie haben kein Corona, sondern einen schweren Herzinfarkt.»

Jetzt begann der Kampf um Langes Leben. Im Klinikum Bad Saarow wurde ihm zunächst das verschlossene Herzkranzgefäss mit einem Stent eröffnet. Aber es war schon zu spät. Prof. Evgeniy Potapov (53) vom Deutschen Herzzentrum Berlin sagte der «Bild am Sonntag»: «Grosse Teile des Herzmuskels waren bereits abgestorben, weil sie keinen Sauerstoff mehr bekommen haben.»

Michel Lange wurde in einer weiteren, fast dreistündigen OP im Herzzentrum ein künstliches Unterstützungssystem implantiert, eine per Akku angetriebene Pumpe übernimmt seither die Aufgabe des Herzmuskels.

Den drei Kilo schweren Akku trägt Michel Lange in einer Tasche am Körper bei sich. Er hält bis zu 14 Stunden, muss dann aufgeladen werden. Lange: «Mein Leben hängt an diesem weissen Kabel, das aus meinem Bauch herauskommt.»

Doch irgendwann will Lange den «blöden Kasten» loswerden und hofft deshalb auf ein Spender-Herz. Prof. Potapov: «Der Patient hat Glück gehabt, dass er noch lebt. Manche Patienten leben zehn Jahre oder länger mit einem Kunstherzen. Wegen des Mangels an Organspenden sind die Wartezeiten für eine Herztransplantation derzeit leider sehr lang, es dauert oft mehrere Jahre.»

Der Vater zweier Töchter fühlt sich nach einem Reha-Besuch wieder weitestgehend fit. An Arbeiten ist im Moment aber nicht zu denken. Lange: «Für einen Workaholic wie mich ist das nicht leicht.»