«Mein kleiner Garten ist meine Therapie»

Nach einer schreck­lichen Diagnose war Ute verzweifelt. Doch statt zu grübeln und in Depressionen zu verfallen, baute sie auf die Kräfte der Natur.

Es duftet nach Jasmin, und die Wege sind gesäumt von Rosen. «Das ist mein Paradies», sagt Ute (54) aus dem deutschen Bautzen. «Ich sitze am liebsten unter meiner Pergola, lausche den Vögeln und kann mich nicht sattsehen an der bunten Pracht.»

Wer Ute dort so scheinbar zufrieden sitzen sieht, ahnt nicht, dass diese blühende Pracht mehr ist als ein Hobby, sie ist eine Therapie. Denn die kaufmännische Angestellte leidet an Krebs. Die Kraft, die zehrende Behandlung durchzustehen, findet sie im Garten.

Es war im August 2014, als sie bei einer Routineuntersuchung die Diagnose «Scheidenkrebs» bekam. «Ich wusste bis dahin gar nicht, dass es das gibt», sagt sie. Sie ist schon lange geschieden, kinderlos. Sie weiss, dass sie die Krankheit allein durchstehen muss. Dazu kommt die Sorge um die Finanzen. Ute ist seit 2005 arbeitslos.

«Das war alles zu viel für mich. Erst einmal bin ich ins Bodenlose gefallen», erinnert sie sich. Sie musste sofort zur Bestrahlung ins Spital und bekam Medikamente. Danach kämpfte sie mit den Nebenwirkungen. «Ich fühlte mich oft mies, mir war übel, und ich musste die meiste Zeit in meiner kleinen 2-Zimmer-Wohnung aushalten. Ich habe dort keinen Balkon, und mir fiel allein die Decke auf den Kopf. Ich habe ständig
gegrübelt und viel geweint.»

Eine Bekannte gab ihr den Rat, sich solle sich einen kleinen Garten pachten. «Dann bist du in der Natur an der frischen Luft.» Ute ahnte damals nicht, was dieser Rat bedeuten sollte. «Er hat mein Leben auf den Kopf gestellt, alles hat sich zum Positiven geändert.» Sie pachtete ein städtisches 300 Quadratmeter grosses Grundstück, mit einer kleinen Hütte und einem Wasser- und Stromanschluss. Innerhalb der Anlage sind 74 Gartenfreunde, für sie alle gibt es einen Treffpunkt. Man sitzt regelmässig zusammen – zum Reden, Feiern und Essen. «Ich fühlte mich sofort angenommen», sagt Ute.

Sie pflanzt Obst und Gemüse an, in den Herbstmonaten kocht sie Konfitüre. Ihr kleines Paradies ist wetterfest, sie kann sogar dort schlafen. Es gibt Tage, da vergisst sie die Krankheit, obwohl sie mindestens noch bis Ende des Jahres zur Bestrahlung muss. «Mir tut alles gut: die Natur, mein Essen, die Sonne, die Nachbarn. Mein Garten ist meine Therapie.»