Knapp am Tod vorbei

Er hatte sich auf seine Pensionierung gefreut. Doch dann wurde Andi von einer Zecke gebissen − was ver­heerende Folgen hatte.

Als Planer und Gärtner hatte der Schweizer Andi Paissard während dem Lockdown weniger im Büro zu tun und war täglich im Wald. Dort passierte es: Er wurde von einer Zecke gebissen. Nach und nach wurden Arme, Beine und Gesichtsnerven gelähmt. So hatte er sich seine Pensionierung nicht vorgestellt! Auch Marlis Paissard (60), seine Frau, ist traurig und hadert mit diesem Schicksal: «Wir sitzen beide im gleichen Boot», meint sie. «Andi hatte sich so sehr auf seine Pensionierung gefreut. Alle unsere Pläne sind ins Wasser ge­fallen.»

Seit seiner Jugend war Andi (65) immer gerne draussen in der Natur. Obwohl er schon oft von einer Zecke gebissen wurde, liess er sich nie dagegen impfen. Am 1.  Mai 2020 fiel seiner Frau auf, dass ihr sonst so kräftiger und lebensfreudiger Mann nicht mehr so fit war. «Zwei Tage später, es war ein Sonntag, hatte Andi bereits sehr hohes ­Fieber. Seine Beine wurden schwächer und schwächer, sodass er kaum mehr Treppen steigen konnte. Ich dachte, er hätte Corona, und brachte ihn in die nächste Notfallstation.»

Der Coronatest fiel jedoch ne­gativ aus. Trotzdem musste Andi im Spital bleiben. Zwei Tage später traten Lähmungserschei­nungen in den Gliedmassen und Gesichtsnerven auf. Zudem folgte eine schwere Lungenentzündung: Andi musste intubiert werden. Erst nach etlichen Untersuchungen stellten die ­Ärzte einen Zeckenbiss (FSME Frühsommer-Meningoenzephalitis) fest. Nach drei Wochen Spitalaufenthalt kam er in die Reha. Statt besser ging es ihm dort schon bald wieder schlechter. Das Fieber stieg an, und er musste mit einer erneuten Lungenentzündung ins Spital in die Intensivstation verlegt werden. «Ich war schockiert, als ich diese Nachricht mitten in der Nacht vom Spital erfuhr, und hatte grosse Angst um Andis Leben», schildert Marlis unter Tränen.

Ende Juni wurde Andi ins Paraplegiker-Zentrum Nottwil verlegt. Fünf Monate lang musste er künstlich ernährt werden. Nach acht Monaten Reha konnte er nach Hause. «Endlich!», strahlt Andi. Drei Wochen später quälten ihn starke Schmerzen im Brustbereich, und er erkrankte an einer Lungenembolie. «Unser Leben wurde komplett auf den Kopf gestellt», sagt seine Frau weiter. «Andi ist auf den Rollstuhl angewiesen. Er kann zwar wieder sprechen, doch wenn er müde ist, sind seine Worte kaum verständlich.»

Seine Tage sind ausgefüllt mit Therapien – aber immerhin gibt es nun einen Lichtblick. «Er macht kleine Fortschritte. Das lässt uns hoffen, dass dereinst doch noch alles gut wird.» Andi nickt und meint mit ­belegter Stimme: «Marlis ist so lieb und macht alles gut.» Marlis fügt bei: «Als ob ich eine Vorahnung gehabt hätte, habe ich mich vor drei Jahren als Pflegerin ausbilden lassen und arbeite seit 2020 in der Spitex. Und zum Glück haben wir gute Freunde, die uns manchmal aus dem Alltag herausholen und uns bei diversen Aktivitäten unterstützen.»

Impfen hilft

Zecken leben vor allem in Laubwäldern mit üppigem Unterholz. Ausser den Kantonen Genf und Tessin gilt die ganze Schweiz als FSME-Risikogebiet. Bei 5 bis 15 Prozent der Erkrankten kommt es nach einem beschwerdefreien Zeitraum zum Befall des zentralen Nervensystems mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Lichtscheu, Schwindel, Konzentrations- und Gehstörungen. Diese können Wochen bis Monate andauern. In einzelnen Fällen führt die Krankheit zum Tod. Zur Vorbeugung steht eine wirksame Impfung zur Verfügung.