Kampf gegen die Kaffeefahrt-Abzocke

Für die Rechte von Senioren, die bei Verkaufs-Veranstaltungen fies hereingelegt werden, engagiert sich ein pensionierter Oberkommissar. Und das mit Erfolg!

In seinem Arbeitszimmer stapeln sich Ordner und Papierberge fast bis zur Decke. Auf dem Schreibtisch liegen bunte Einladungen zu Kaffeefahrten. Gesammelt hat sie Hermann Kipnowski (83). Der Pensionär aus Aachen (D) ging nach 40 Dienstjahren – zuletzt als Oberkommissar der Kölner Polizei – 1995 in den Ruhestand. Er kennt die vielen Schicksale der abgezockten Opfer von Kaffeefahrten, meistens Senioren, und die skrupellosen Tricks der dreisten Täter. Darüber hat er eine umfangreiche private Aktensammlung angelegt.

Die Einladungen sind voll von falschen Gewinnversprechungen und Erwartungen, die bei den Teilnehmern geweckt werden. Nach Schätzungen setzt die Branche rund 500 Millionen Euro pro Jahr um, weil sich trotz vieler Warnungen immer noch Millionen auf Einladungen zu solchen Busfahrten ins Grüne mit einem Essen und anschliessenden Verkaufsveranstaltungen mit total überteuerten Produkten einlassen, etwa Heizdecken und Nahrungsergänzungsmittel. Die Rentner zahlen manchmal Tausende von Euros für derlei Ware.

Von Ordnungsämtern und der Polizei wünscht sich Kipnowski mehr Engagement bei der Verfolgung von Kaffeefahrten-Abzockern. «Zu vielen Ermittlern habe ich gute Kontakte. Ich schreibe und unterstütze die Behörde mit Strafanzeigen. Sie greifen gerne auf mein Wissen zurück, das ich mir in 23 Jahren angeeignet habe.» Mit seiner Hilfe konnten Straftaten gerichtsfest gemacht werden. Einige Hintermänner wurden zu Haftstrafen verurteilt.

Kipnowski weiss genau, wovon er spricht: In all den Jahren hat er inkognito über 200 solcher Kaffeefahrten miterlebt. Manchmal musste sich der einstige Polizist sogar verkleiden, weil er sonst aufgeflogen wäre. Bei über 50 Veranstaltungen setzte er Lockvögel ein, die für ihn das dubiose Treiben der Abzocker beobachtet haben. «Ich bin dann vor Ort draussen vor den Gaststätten, informiere die Polizei und das Ordnungsamt, damit sie die Veranstaltungen auflösen, die Personalien der Beteiligten feststellen und Ermittlungsverfahren einleiten können», sagt er. Auf seiner persönlichen Jagd fuhr Hermann Kipnowski bisher über 400’000 Kilometer hinter Kaffeefahrt-Bussen her, quer durch Deutschland und das benachbarte Ausland.

Die miese Masche der Betrüger: «Die Veranstalter beschaffen sich Adressen von Senioren, die Ende 70 oder älter sind», erklärt Hermann Kipnowski. «Diese wehren sich weniger im Verkaufsgespräch und sind nicht so kritisch bei ihren Nachfragen. Diese Gruppe erhält dann auf dem Postweg die Einladung zur Kaffeefahrt.» Warum fahren Senioren überhaupt noch mit? «Das kann ich verstehen. Es sind meistens einsame Menschen, die entweder keine Angehörigen mehr haben oder der Kontakt zu ihnen abgebrochen ist. Sie sitzen allein zu Hause und sind froh, mal ein paar Stunden Abwechslung zu haben.»

Angst vor der Rache der Verfolgten hat er nicht. Er bleibe weiterhin der Rächer der Kaffeefahrten-Opfer, denn die abgezockten Senioren schweigen häufig aus Scham, wenn sie den Schwindel bemerken. «Dann bin ich eben das Sprachrohr dieser Menschen. Ich schweige nicht und wehre mich mit jedem meiner Einsätze gegen das System. Das ist mindestens so gross wie der berüchtigte Enkeltrick!