«Ich trieb meine Schwester in die Arme ihrer Mörder»

Die Geschwister waren lange ein Herz und eine Seele, wohnten zusammen. Doch nach Meinungsverschiedenheiten gingen sie getrennte Wege. Bald darauf ereignete sich ­eine Tragödie.

Als Aimee Hill 1994 ihre neugeborene Schwester in den Armen hielt, da war sie 15 Jahre alt. «Bethany war so entzückend. Ich versprach damals, dass ich sie als ihre grosse Schwester immer beschützen würde», erzählt die Engländerin. «Ich war so viel älter als sie und eine Art zweite Mutter.» Im Verlauf der Jahre bildete sich ein ganz besonderes Band der Freundschaft zwischen ihnen. Wenn Bethany Probleme hatte, konnte sie sich an Aimee wenden.

2010, als das Mädchen 15 Jahre alt war, bat sie Aimee, bei ihr wohnen zu dürfen. «Sie war in der Pubertät und wollte nicht dauernd unter der Aufsicht unserer Eltern sein. Sie fühlte sich eingeengt.» Die Eltern stimmten zu, und so zogen die beiden Schwestern zusammen. Sie schauten gemeinsam fern, kochten und hatten es gut miteinander. Oft war auch Kayleigh Woods bei ihnen zu Hause, eine sehr gute Freundin von Bethany, die sie in der Schule kennengelernt hatte.

Im Jahr 2013, als Bethany 18 Jahre alt war, gestand sie ihrer Schwester, dass sie erstmals so richtig verliebt sei. «Er heisst Jack Williams», sagte sie schüchtern. Doch die Beziehung mit dem 17-Jährigen zerbrach schon nach wenigen Monaten wieder. Sie wollten jedoch Freunde bleiben, und Bethany störte sich nicht daran, dass ihre Freundin Kayleigh und Jack bald darauf ein Paar wurden.

Dann kam es 2014 zum Bruch zwischen den beiden Schwestern. Aimee machte Bethany Vorwürfe, weil sie sich im Haushalt wenig engagierte und unordentlich war. Aimee schlug eine vorübergehende Trennung vor. Wenige Tage nach dem Streit packte Bethany ihre Sachen. Sie kam bei Kayleigh und Jack unter, die inzwischen zusammengezogen waren. Aimees Vorschlag, zu ihr zurückzukommen, schlug sie in den Wind. Ein Jahr lang hörten die Schwestern nichts voneinander.

Dann, im Februar 2016, erhielt Aimee morgens einen Anruf ihrer Mutter. «Komm bitte», bat sie mit zittriger Stimme. Als Aimee daheim ankam, kämpften ihre Eltern gegen die Tränen. Sie erzählten ihr, dass die Polizei angerufen hatte, um mitzuteilen, dass man Bethany tot aufgefunden hatte. Sie war nur 20 Jahre alt geworden.

Doch erst am folgenden Tag erfuhr die Familie, dass die Polizei zwei Verdächtige festgenommen hatte: Jack Williams und Kayleigh Woods. «Das konnte doch nicht sein, sie waren doch ihre Freunde», erzählt Aimee. Sie erlitt einen Nervenzusammenbruch und war voller Schuldgefühle.

Im Januar dieses Jahres erschienen die Täter vor Gericht, und es wurden Einzelheiten des Verbrechens bekannt. Die beiden hatten Bethanys Hände mit Kabelbinder zusammengebunden. Dann stachen sie ihr mit einem Messer in den Hals – immer wieder, bis Bethany verblutete. Die Richter warfen ihnen sadistischen Mord mit perversem Vergnügen vor.

Das Verbrecherpaar erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe, muss mindestens 26 Jahre ins Gefängnis. Aimee: «Das alles bringt mir meine Schwester nicht zurück. Ich stellte mir immer wieder vor, welch furchtbare Qualen sie hatte durchleiden müssen. Ich fühle mich schuldig. Wir waren im Streit auseinandergegangen. Hätte ich sie doch zurückgehalten, als sie unsere Wohnung verliess. Ich habe meine Schwester in die Arme ihrer Mörder getrieben.»

Familie und Freunde sagen Aimee, dass es nicht ihre Schuld gewesen sei. «Doch ich werde mein Leben lang ein schlechtes Gewissen haben. Könnte ich mich doch nur bei Bethany entschuldigen und ihr sagen, wie sehr ich sie liebte. Doch die grausamen Killer haben mir diese Möglichkeit für immer genommen!»