«Ich hasse dich mit jeder Faser meines Herzens»
Bei einem Unfall verloren zwei junge Menschen unverschuldet ihr Leben. Die Mutter eines der Opfer brach im Gericht zusammen – wegen des Totrasers.
Auf dem Friedhof von Grossziethen bei Berlin – zwei Gräber direkt nebeneinander, das gleiche Todesdatum. Darin liegen zwei junge Menschen, einst verliebt, glücklich, neugierig aufs Leben. Sie starben, weil sich ein Kumpel betrunken ans Steuer setzte und sie in den Tod raste.
Alina Voss (16) und Billi Thal (20) waren erst sieben Monate vor ihrer Beerdigung ein Liebespaar geworden. «Sie verbrachten seitdem jeden Tag zusammen», sagte Alinas Mutter Andrea (39) der «Bild am Sonntag». Alina bereitete sich aufs Fachabitur vor und plante, einen Sozialberuf zu erlernen. Billi jobbte, beruflich war er noch unsicher, schmiedete immer wieder Pläne für die Zukunft.
Ihre gemeinsame Zukunft endete am 26. Oktober 2018, morgens um 3.05 Uhr in einem Audi A4 auf einer einsamen Strasse. Der Unfall: Das junge Paar ist zusammen mit drei Freunden auf dem Rückweg von einer Party. Am Steuer: Dario P., der nüchtern geblieben ist. Als er anhält und mit einem Kumpel aussteigt, dem schlecht geworden ist, beginnt die Horrorfahrt. Max M. (heute 20) setzt sich laut Anklage plötzlich ans Steuer des Autos − mit 1,13 Promille und ohne Fahrausweis. Er beschleunigt den Wagen auf mindestens 124 Stundenkilometer. Dramatisch: Offensichtlich versucht Billi verzweifelt, den Wagen zu stoppen, zieht die Handbremse − vergeblich. Das Auto bricht aus, kracht gegen einen grossen Alleebaum. Dario P., der den Unfall aus der Entfernung hilflos mit ansehen musste, wählt den Notruf. Um 3.22 Uhr stoppen er und sein Kumpel ein zufällig vorbeifahrendes Polizeiauto. Feuerwehr und Notarzt sind schnell da. Für Alina und Billi kommt jede Hilfe zu spät.
Laut Ermittlungsakten klingelt Max M. nur Minuten nach dem Unfall bei einem Ehepaar, 500 Meter vom Unfallort entfernt. Er bittet um Hilfe. Für sich selbst! Laut Zeugen wimmert er: «Ich bin zusammengeschlagen worden.» Über die Freunde im Wrack verliert er kein Wort. Das Ehepaar ruft den Notarzt. Angesprochen auf den Unfall, tut Max M. so, als habe er damit nichts zu tun. Auf Nachfrage gibt er an, er könne sich nicht erinnern. Dabei bleibt er bis heute. Bei der ersten Vernehmung gibt Dario P. an, sein Freund Max sei gefahren, vor Gericht ist er sich nicht mehr sicher. Die Staatsanwältin meinte im Prozess: «Wo soll denn der Fahrer mit Unfallverletzungen bis heute geblieben sein?» Obwohl ein Gutachter feststellte, dass weder Alina noch Billi am Steuer sassen, leugnet Max M. seine Tat hartnäckig. Notärztin Wiebke P. (37), die den jungen Mann in jener Nacht untersucht hatte, sagte: «Es kommt mir so vor, als würde die Erinnerung bewusst verdrängt.»
Bei der Urteilsverkündung spielten sich dramatische Szenen ab. Totraser Max M. erhielt lediglich ein Jahr Jugendstrafe auf Bewährung, 750 Euro Geldstrafe und zwei Jahre Fahrausweis-Entzug. Seine Tat wurde als «jugendlicher Leichtsinn» bezeichnet. Alinas Mutter, Andrea Voss (39), brach weinend im Saal zusammen ob der Milde des Richterspruchs. In ihrem Schlusswort sagte sie: «Du hast mir das Wichtigste genommen, was ich im Leben hatte, Max! Und du sitzt hier und zeigst immer noch keine Reue. Du bist gefahren und hast Billi und Alina auf dem Gewissen. Schäm’ dich, Max. Ich hasse dich mit jeder Faser meines Herzens.»