«Ich dachte, allein bleiben zu müssen»

Weil Ilka mit einer Nasen-Lippen-Spalte geboren wurde, hatte sie es lange schwer – und fürchtete, nie einen Freund zu finden. Auf unerwartete Weise änderte sich mit 20 ihr Leben.

Bis zu Ilka Brühls Geburt 1992 deutet nichts darauf hin, dass beim Fötus etwas nicht stimmt. Doch nach der Entbindung bemerken die Ärzte, dass das Baby kaum Luft bekommt: Die Atemwege in der Nase waren zugewachsen. Nase-Lippen-Spalte – Not-OP! Als Kind hat sie zwar öfter entzündete Augen wegen des nicht ausgebildeten Tränen­kanals und Kopfschmerzen, weil die Nasennebenhöhlen sehr anfällig für Feuchtigkeit sind. «Mit den Symptomen konnte ich aber gut leben», erinnert sich die heute 29-Jährige in «Bild am Sonntag».

Viel schlimmer sind die äusserlich sichtbaren Merkmale: «Ich habe keine Nasenflügel, dafür viel offenere Nasenlöcher. Zudem fehlt mir das Volumen in den Wangen. Ein Auge hat eine sichtbare Narbe und ist etwas verformt. Und über meiner Lippe ist eine Narbe, die man allerdings kaum sieht.» Die Eltern vermitteln ihrer Tochter stets das Gefühl, dass sie richtig sei, wie sie ist. «Als Kind konnte ich dumme Sprüche oder Blicke von anderen gut kontern.»

Doch in der Pubertät ändert sich das. Das Aussehen wird wichtiger, und Ilka ist sich je länger je mehr bewusst, dass sie anders ist. Sie zieht sich zurück, weil sie sich nicht schön genug fühlt, denkt, dass sie immer allein bleiben und mit Katzen alt werden wird.

Mit 20 steht für die Deutsche eine Operation an ihrer Nase an – aus medizinischen Gründen. Ilka aber freut sich darauf: Weil sie glaubt, dass eine neue Nase ihr ermöglicht, sich selbst besser zu akzeptieren. «Als die Wunden verheilt waren, bemerkte ich allerdings sogleich den nächsten Makel», gesteht sie. Das öffnet ihr die Augen: «Schönheit kann nicht auf dem OP-Tisch erzeugt werden.» Sie beginnt, sich mit ihrer De­finition von Schönheit auseinanderzusetzen und kommt zum Schluss: «Es hat vor allem mit der Ausstrahlung zu tun. Wenn man sich selbst akzeptiert, strahlt man von innen. Das ist schöner, als der perfekteste Mensch, der sich selbst nicht leiden kann.»

Mit ihrer neuen Einstellung gelingt es Ilka, offener auf andere Menschen zuzugehen. «Ich habe mich selbst mögen gelernt. Und gemerkt: Die anderen ziehen sich gar nicht vor mir zurück, sondern ich mich vor ihnen.» Ihr Leben beginnt, sich zum Positiven zu verändern. Kurz darauf lernt sie ihren Freund Philip (29) kennen. «Er hat viel dazu beigetragen, dass ich ein positiveres Selbstbild bekommen habe.»

Ilka bekräftigt: «Ja, ich bin anders. Anders schön!» Und noch viel wichtiger: Die Befürchtung, allein zu bleiben, hat sich nicht bewahrheitet. Im August haben Ilka und Philip geheiratet.