«Ich bin 41 Jahre alt und lebe im Körper eines alten Mannes»

Er ist ständig müde, und permanent tut ihm alles weh. Patrick Schutz aus Neuenburg hat Fibromyalgie – ein unsichtbares Leiden, das von der Invalidenversicherung nicht anerkannt wird.

Schmerzen, Schmerzen, nichts als Schmerzen: Der Westschweizer Patrick Schutz (41) aus Neuenburg hat ständig das Gefühl, dass er eine Grippe hat – ohne Fieber zwar, aber mit einer enormen, bleiernen Müdigkeit. Am liebsten würde er den ganzen Tag im Bett bleiben und dort die Zeit verbringen, die ihm noch bleibt. «Jedes Körperteil tut mir weh, zum Glück nicht jedes zur gleichen Zeit», erzählte er in der Zeitschrift «L’illustré».

Patrick Schutz und seine Partnerin haben die dreijährige Tochter Naya. Auch wenn er mit ihr nur 20 Minuten spielt, raubt ihm das die Energie für den ganzen Tag. «Wenn ich geschlafen habe und dann erwache, bin ich genau so müde, als ob ich mich nie hingelegt hätte.» Er hat viele Freunde verloren, die glauben, er simuliere. Abends kann er nicht wie früher mit ihnen ausgehen, da er spätestens um 19 Uhr ins Bett geht, um sich zu erholen.

Die Diagnose seines Leidens bekam er vor einem Jahr: Fibromyalgie. Laut Schätzungen sind 400’000 Personen in der Schweiz davon betroffen. Das Problem: Fibromyalgie wird von der Invalidenversicherung (IV) nicht anerkannt. Es gebe keine wissenschaftlichen Beweise dafür: Im Blut und auf Röntgenbildern seien keine Hinweise zu entdecken. Hunderte von Symptomen charakterisieren die Fibromyalgie. Festgestellt wird sie durch den Ausschluss anderer Krankheiten und mit Hilfe eines Tests: Meist werden empfindliche Stellen («tender points») zu Hilfe genommen.

Besteht bei elf oder mehr von 18 «tender points» eine erhöhte Druckschmerzhaftigkeit, so liegt der Verdacht auf Fibromyalgie vor. Diese Diagnosepunkte liegen gelenknah an den Sehnen-Muskel-Ansätzen. Die Ursache des Leidens ist ungeklärt und durch medizinische Massnahmen nur begrenzt beeinflussbar. Patrick Schutz muss viele Medikamente einnehmen: Schmerzmittel, Antidepressiva, Vitamine, Medikamente, um den Magen zu schützen und Tropfen gegen die empfindlichen, trockenen Augen. «Es ist ein unsichtbares Leiden», sagt Schutz. Er will, dass möglichst viele Menschen davon erfahren, hat eine Facebook-Seite eingerichtet, damit Fibromyalgie ins Bewusstsein der Bevölkerung gelangt.

Patrick ist seit zwei Jahren arbeitslos und lebt von der Sozialhilfe. Wenn die IV das Leiden zumindest teilweise anerkennen würde, wäre ihm schon geholfen. So hofft er auf finanzielle Unterstützung wegen seiner Depressionen und der chronischen Müdigkeit. Seine grösste Hoffnung ist eine Volksinitiative, die soeben lanciert wurde und die Anerkennung der Fibromyalgie als Krankheit verlangt.

Patricks Beziehung zu Partnerin Sylvie ist auch schwierig geworden. Gemeinsame Fernsehabende gibt es nicht, weil er früh schlafen geht. Naya wundert sich, dass der Papa zur gleichen Zeit wie sie zu Bett geht. Patrick Schutz weiss nicht, wie lange er seinen Zustand noch aushält: «Ich bin erst 41 Jahre alt und lebe schon im Körper eines alten Mannes!»

Er spielt mit seinem Töchterchen Naya, doch nach 20 Minuten ist seine Energie aufgebraucht. Patrick liegt hier auf einer schmerz­lindernden Matte. Rechts: So viele Medikamente muss er nehmen.

Er spielt mit seinem Töchterchen Naya, doch nach 20 Minuten ist seine Energie aufgebraucht. Patrick liegt hier auf einer schmerz­lindernden Matte. Rechts: So viele Medikamente muss er nehmen.

Patrick vermutet, dass eventuell auch traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit Auslöser sein könnten. Im Alter von 17 Jahren war er dabei, als sein Vater vor seinen Augen einen Mann mit einem Stein totschlug. Mit ihm hat Patrick keinen Kontakt mehr. Schlimm war auch die Geburt seiner Tochter: Beinahe wären Mutter und Kind gestorben. Patrick: «Diese Ereignisse haben mich zutiefst erschüttert.»

Wie gerne würde er einmal etwas mit Frau und Tochter unternehmen – aber sein Leiden und das bisschen Geld, das er erhält, lassen diesen Wunsch nicht in Erfüllung gehen.

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