«Hier kommt meine Seele zur Ruhe»
Das Leben von Andrea Kraus war in Ordnung, bis ein «Traumjob» sie krank machte. Doch die schwierige Zeit führte schliesslich zur Erfüllung ihres Lebenstraums – auf Sardinien!
Ein steiler Anstieg, dann haben Andrea Kraus und ihr Labrador Artù den Aussichtspunkt in der Nähe des Dorfs Fluminimaggiore erreicht. Lächelnd schaut die 42-Jährige aufs Meer mit den Stränden, lässt ihren Blick weiter über die Berge schweifen. «Ich war schon viel zu lange nicht mehr hier, es gibt einfach immer zu viel zu tun», sagt sie – um dann gleich klarzustellen: «Aber ich bereue nichts.»
Vor knapp zwei Jahren sind Andrea und ihr Mann Giuseppe Fadda (46) in den touristisch wenig erschlossenen Südwesten Sardiniens ausgewandert. Die leidenschaftliche Reiterin verbrachte hier schon ab 2011 regelmässig Reitferien. Er stammt aus der Gegend. Vor acht Jahren lernten sie sich schliesslich kennen. Einige Monate später zog der gelernte Koch mit Sack und Pack zu ihr, fand bald darauf eine Stelle.
Andrea war kurz zuvor von Zürich, wo sie sechs Jahre lang gelebt und gearbeitet hatte, nach Stuttgart gezogen. Ihr war eine Führungsposition in einem internationalen Konzern angeboten worden. «Der Job war anspruchsvoll und spannend», erzählt sie. «Ich wurde von meinem Chef und meinen Mitarbeitenden sehr geschätzt – bis mein Vorgesetzter das Unternehmen, nicht ganz freiwillig, verliess.» Kaum war er weg, wurde auch ihre Arbeit in Frage gestellt – und ihr nahegelegt, einen neuen Job zu suchen. «Die Situation wurde für mich immer schlimmer und schliesslich unerträglich, was dazu führte, dass ich ab 2019 für elf -Monate krankgeschrieben war.»
Kurz vor der Krankschreibung hatte sie eine Ausbildung zum Pferdegestützten Coach absolviert, bei der sie auch selbst ein Coaching mitmachte. «Dabei wurde mir klar, dass ich mein Leben ändern muss, um wieder gesund zu werden. Ich wollte endlich auf mein Herz hören und meinen Leidenschaften nachgehen.» Sprich: mit Pferden und im Tourismus arbeiten, wovon sie mit ihrer Begeisterung für Fremdsprachen, andere Kulturen und Länder schon lange heimlich geträumt hatte. Und so beschlossen Andrea Kraus und Giuseppe Fadda nach Sardinien zu ziehen, um dort ein Bed & Breakfast zu eröffnen, wo die Deutsche auch Pferdegestütztes Coaching sowie Wanderungen und Spaziergänge mit den Pferden anbietet.
Ihr Grundstück liegt drei Kilometer vom Meer entfernt mit Blick auf die nahegelegenen Berge. Aus dem «Dschungel» mit Rohbau haben die beiden ein Paradies geschaffen – in dem sie nicht alleine leben: Zwei Mustangs, ein Labrador, vier Katzen, fünf Hühner und zwei Enten sind ihre Mitbewohner. Und für das Paar dürften es gerne noch mehr werden.
Ab 2023 empfangen sie im «Coru e Bentu» (Herz und Wind) Gäste. «Wir freuen uns riesig, ihnen das ursprüngliche Sardinien zu zeigen. Ein Lebenstraum wird wahr.» Ihr Dasein sei ein komplett anderes als früher, als sie berufs-bedingt um die Welt jettete und gut verdiente. Viele beneideten sie um den Job, aber glücklich war sie nicht. «Klar bleiben wir auch hier nicht von Problemen verschont, es gab Unfälle, nervenzehrende Bürokratie, finanzielle Engpässe», erzählt sie. «Doch wenn ich morgens aufwache, die Sonne scheint, ich das Meer durch die Bäume blitzen sehe, die Pferde wiehern höre, die Hühner aus dem Stall in die Freiheit flattern lasse, dann weiss ich: Ich habe alles richtig gemacht. Hier bin ich zu Hause, hier ist meine zwei- und vierbeinige Familie. Hier kommt meine Seele zur Ruhe, und mein Herz geht auf!»