«Heiligabend feiern wir das Wunder unseres Lebens»

Über Nacht wurde Alena krank und schwer behindert. Die Ärzte gaben ihr nur wenig ­Chancen. Dank ihrer Mutter machte sie jedoch verblüffende Fortschritte.

Alena (22) lacht viel, ihre Augen blitzen fröhlich und gern erzählt sie von ihren Plänen: Sie möchte Bürokauffrau werden und eine eigene Wohnung mieten. «Ja, sie wird flügge», meint ihre Mutter Anja (50). «Dass ich das heute sagen kann, ist das grosse Wunder unseres Lebens. Denn vor zehn Jahren meinten die Ärzte, dass mein Kind keinerlei Chance auf ein normales Leben hat.» Bis zum 3. Juni 2008 war Alena ein Mädchen wie alle anderen auch. «Doch in der Nacht schrie sie plötzlich herzzerreissend und hörte nicht wieder auf», erinnert sich Anja. Vater Ralf (52), von Beruf Polsterer, sagt: «Wir wussten sofort, dass etwas Schlimmes passiert ist.»

Der Notarzt bringt Alena ins ­Spital. Dort erkennt man das ganze Ausmass: Alena hat einen Blutschwamm im Gehirn, eine angeborene Gefässmissbildung, und kommt direkt in eine Spezialklinik. Es bleibt keine Zeit. Die Hirnblutung wird immer stärker. Sie muss sofort operiert werden. Alena überlebt, wird noch zweimal operiert. Die Schädelplatten müssen entfernt werden. Danach liegt sie im künstlichen Koma. Angeblich gibt es kaum noch Hirnfunktionen. «In der anschliessenden Reha bekam ich einen Termin bei der Psychologin», erzählt die Mutter. «Sie sollte mich darauf vorbereiten, mit einem schwerstbehinderten Kind zu leben. Ich habe geheult wie ein Schlosshund. Aber die Nachricht macht etwas mit ihr. «Ich spürte plötzlich einen ungeahnten Kampfgeist in mir.» Anja wischt sich die Tränen ab, meint trotzig: «Meine Tochter wird diese Klinik auf ihren eigenen Beinen verlassen.» Die Psychologin sieht sie mitleidig an, verweist auf die medizinischen Unterlagen. Alena kann nicht sprechen, sitzen, stehen, gehen, schreiben – nichts. Sie kann nicht mal allein den Kopf halten.

Anja lässt ihr geliebtes Mädchen nicht mehr aus den Augen, schiebt nachts die Betten zusammen, damit sie die Hand ihrer Tochter halten kann, redet mit ihr, streichelt sie und kämpft um jede nur denkbare Therapie. Und das Wunder geschieht: Als Alena nach sechs Monaten entlassen wird, kann sie – gestützt auf ihre Mutter – aus der Klinik gehen. «Dieser Triumph hat mich noch mehr angestachelt. Ich habe zu Hause weitergemacht.» Alle Ersparnisse, jeder Euro fliesst in Therapien, um Alena weiter fit zu machen.
Fünf Tage in der Woche ist Anja mit dem Mädchen unterwegs. Ehemann Ralf und Schwester Larissa halten ihr dafür den Rücken frei. Ihren Arbeitsplatz hat sie längt aufgegeben. Und jeden kleinen Fortschritt feiert die Familie wie einen Etappensieg. Alena lernt, Stifte zu greifen, auf die Toilette zu gehen, ein Lied zu singen. Sie kann eine Schule besuchen, gehen, Briefe schreiben. «Es war herrlich, ihre Entwicklung zu sehen», sagt Anja. Aber der Löwenmama reicht das alles nicht. Sie will Normalität, lässt nichts aus, was ihrer Tochter dazu verhelfen kann. 2017 organisiert sie eine Spenden-Aktion, bringt tatsächlich das Geld für eine Delfin-Therapie auf der Karibik­insel Curaçao zusammen. Alena hat dadurch noch einmal einen richtigen Schub erlebt, kann seitdem trotz einer Lähmung der rechten Körperhälfte den Arm bewegen, gut zwei Stunden laufen und hat ein viel besseres Gedächtnis. Sämtliche Schulnoten verbesserten sich.

Wenn die Familie heute, zehn Jahre nach der Katastrophe, das Weihnachtsfest feiert, ist die Dankbarkeit in jeder Sekunde zu spüren. Aber sie sind auch stolz auf das Erreichte. Alena lebt seit diesem Jahr nahezu normal. Sie hat ihren Schulabschluss geschafft, Freunde gefunden, träumt wie jede junge Frau von schönen Kleidern, von Discos, von Reisen. «Ich bin unendlich dankbar», sagt sie und nimmt ihre Mutter liebevoll in den Arm. Anja strahlt: «Wir haben mit positivem Denken, mit Kampfgeist und Zusammenhalt Alenas Leben lebenswert gemacht. Eine bessere Weihnachtsbotschaft kann es nicht geben.»