Hass auf den zu grossen Busen

Viele Frauen würden sich so eine Ober-weite wünschen. Doch für Amber wurde sie zur Qual. Sie sah nur einen Ausweg.

Als Amber aus der Narkose erwacht und die Augen öffnet, schaut sie an sich herunter. Sie sieht ihre Zehen und muss weinen. Vor Freude, nicht von den OP-Schmerzen. Die 21-jährige Jura-Studentin liess sich die Brüste verkleinern, die ihr Leben zur Hölle gemacht haben.

«Sind die echt?» Amber kann nicht zählen, wie oft ihr diese Frage schon gestellt wurde. Zum ersten Mal, als sie gerade einmal 14 Jahre alt war. Damals, mitten in der Pubertät, wuchs ihr Busen. Deutlich stärker als bei ihren Freundinnen. «Für die Jungs meiner Schule war meine Oberweite das Thema», erzählte Amber der Zeitschrift «Closer». Kein Tag vergeht, an dem sie keinen dummen Spruch kassiert. Vor allem beim Sportunterricht. «Die erschlagen dich ja!», «Soll ich mal festhalten?» und «Eine Milchkuh hat kleinere Euter», sind nur einige der fiesen Kommentare, die sie einstecken muss. Einmal ist es so schlimm, dass sie abends in Tränen ausbricht. «Ich hasste meine Oberweite», erinnert sie sich. Doch das Gerede ist nicht Ambers einziges Problem.

Die gebürtige Britin hat bei einer Körpergrösse von 1,61 Meter bereits BH-Grösse 34 G. Ihre Knochen können die Last ihres Busens kaum tragen. Amber bekommt deshalb starke Rückenschmerzen. «Ich konnte auch nie lange stehen oder laufen, ohne dass etwas wehtat», erzählt sie. Als ihre Abschlussklasse eine Wandertour unternehmen will, sagt sie kurzfristig ab. Wegen Erkältung, sagt sie. Doch jeder wusste, dass das nicht stimmte.

Als Amber an die Uni wechselt, um dort Jura zu studieren, möchte sie das Mobbing und die sexuelle Belästigung aus der Schulzeit endlich hinter sich lassen. Doch es klappt nicht. Immer wieder wird sie auf ihr Aussehen reduziert und muss sich dumme Macho-Sprüche anhören. «Manchmal stieg ich sogar darauf ein, lachte über die Witze, obwohl mir eigentlich zum Heulen zumute war.» Und auch die Schmerzen lassen nicht nach. Amber nimmt Tabletten, geht zur Physiotherapie. Es hilft alles nicht. Abends liegt sie in ihrem Bett und kann sich kaum bewegen. Mit 19 trifft sie schliesslich eine Entscheidung: Die Brüste müssen kleiner werden. Doch die Krankenkasse lehnt eine OP erst mit der Be­gründung ab, Amber sei noch zu jung für so einen Eingriff. Dann heisst es, wegen Corona könnten vorerst  keine «nicht lebensnotwendigen Eingriffe» übernommen werden.

«Meine Schwester Robyn hatte dann die Idee, dass ich einen Spendenaufruf starte», erzählt Amber. «Erst winkte ich ab, aber dann sah ich darin die einzige Chance, die rund 7000 Pfund teure OP aus eigener Tasche zu finanzieren.» Auf gofundme.com schreibt Amber darum ihre Geschichte nieder, lässt kein Detail aus, beschreibt ganz genau, wie sehr sie unter ihrem grossen Busen leidet − körperlich und auch mental. «Ich wünsche mir zu meinem 21. Geburtstag keine Geschenke, nur ein normales Leben», beteuert sie. Das wirkt. Nach ein paar Monaten hat Amber das Geld zusammen und vereinbart im November 2020 einen OP-Termin. Die Brustverkleinerung dauert knapp zweieinhalb Stunden. Der Chirurg entfernt 1,6 Kilo Gewebe − danach trägt Amber einen Stütz-BH, ihr Busen ist bandagiert, sie hat Schmerzen. Die Narben werden bleiben. «Doch ich bin trotzdem unfassbar glücklich.»

Sie schmiedet bereits grosse Pläne: «Sobald Reisen wieder möglich ist, mache ich eine Rucksack-Tour durch Asien. Das wäre früher undenkbar gewesen!»