«Für meine Kinder wollte ich leben»

Nach einem Schlaganfall beschloss die dreifache Mutter radikal abzunehmen − und verlor innerhalb von einem Jahr 80 Kilo.

Wenn Vanessa Otto heute in den Spiegel schaut, kann sie es manchmal selbst noch nicht glauben. Die 38-Jährige, die vor einem Jahr Hosen in Grösse 56 trug und immer ausser Atem war, passt heute in eine enge Jeans in Grösse 36. «Ich kann inzwischen sogar die Kleider meiner zwölfjährigen Tochter Maike tragen», strahlt sie. Dass die dreifache Mutter bei einer Grösse von 1,60 Metern von 140 Kilo auf knapp 60 Kilo abgenommen hat, hat allerdings einen traurigen Hintergrund: Vor zwei Jahren erlitt die Bäckereiverkäuferin einen Schlaganfall. «Eines Nachts wachte ich auf, weil ich keine Luft mehr bekam. Mein Mann machte das Licht an und sah, dass mein Gesicht ganz schief war. Er brachte mich sofort ins Spital.» Die Hamburgerin hatte Glück im Unglück. Der Schlaganfall hatte kein Narbengewebe im Gehirn hinterlassen, es gab keine Folgeschäden. «Das Unglück war ein totaler Schock und auch eine Art finaler Weckruf für mich. Für meine Kinder wollte ich leben.»

Rückblick: Vanessa hatte nach jeder Schwangerschaft mehr als 20 Kilo zugenommen. Alle Diäten führten zum Jo-Jo-Effekt, sie nahm wieder zu. Schliesslich rief sie bei ihrer Krankenkasse an und bat um eine Ernährungsberatung. Im April 2019 sagte sie ihren Pfunden endgültig den Kampf an. «Die Ernährungsberaterin liess mich ein Protokoll anfertigen, in dem ich notieren musste, was ich esse.» Dann wurde ein mehrstufiger Plan erstellt. Vanessa nahm in der ersten Phase morgens und mittags einen Eiweiss-Shake zu sich, abends ass sie normal. In der nächsten Phase kam nach dem morgendlichen Shake eine Zwischenmahlzeit dazu. «Ich durfte dann noch ein Jogurt oder Obst essen, mittags einen Salat, allerdings keine Kohlenhydrate. Abends standen zum Beispiel Gemüse, Hühnchen und Kartoffeln auf dem Speiseplan. Aufgeteilt bestand die Mahlzeit zur Hälfte aus Gemüse, einem Viertel aus Kartoffeln und einem Viertel aus Fleisch», erklärt sie.

Dazu kam anfangs ein strammes Sportprogramm. «Ich habe viermal die Woche für eine Stunde im Fitness-Studio trainiert. Eine halbe Stunde Cardio-Training wie Velofahren und eine halbe Stunde Muskelaufbau-Training.» Plötzlich purzelten die Pfunde. Innerhalb eines knappen Jahres schaffte sie es, von Kleidergrösse 56 in Grösse 36 zu passen. «Inzwischen trainiere ich nicht mehr, aber ich laufe täglich mindestens 7000 bis 10000 Schritte.» Der starke Gewichtsverlust hatte für die junge Mutter einige Folgen. «Ich friere ständig, mir fehlt die Energie. Ich habe keine Kraft, Sport zu machen. Ausserdem hängt die Haut an einigen Stellen.» Sie bekommt von ihrer Krankenkasse nun eine Hautstraffung bezahlt. «Oberschenkel, Arme und auch meine Brüste müssen behandelt werden, das sieht alles nicht mehr schön aus», sagt sie. Wie empfindet Ehemann Olaf seine «neue» Frau? «Er ist super stolz auf mich, dass ich das so konsequent durchgezogen habe. Auch meine Kinder sind glücklich. Sie hatten Angst um mich nach dem Schlaganfall.»Ihr Essverhalten hat sich komplett verändert. «Wenn ich arbeiten gehe, schneide ich mir vorher Gurken, Paprika und Tomaten. Das kommt in eine Dose, das kann ich zwischendurch essen.»

Auch ein Stückchen Kuchen gönnt sie sich ab und zu. Mittlerweile kauft sie auch viel bewusster ein. «Es gibt viel weniger Fleisch bei uns und wenn, dann ein gutes Stück vom Metzger, da weiss ich, woher es kommt.» Und noch etwas hat sie in ihrem Verhalten geändert: «Ich esse immer nur von Dessert-Tellern. Dadurch sind die Portionen automatisch kleiner. Es ist psychologisch ein guter Trick, man überlistet sich selbst damit.» Sie esse allerdings immer, worauf sie Appetit habe. «Zum Frühstück gönne ich mir auch mal ein halbes Brötchen mit Leberwurst oder Käse. Dadurch, dass ich alles esse, was ich mag, bekomme ich keinen Heisshunger.» Die grossen Portionen von früher vermisse sie nicht. Heute hat sie ihr Wohlfühlgewicht. «Ich kaufe mir jetzt endlich die Kleider, die ich mich früher nie getraut hätte, anzuziehen. Ich bin jetzt glücklich. Es ist, als hätte man mir ein neues Leben geschenkt.»