Entführt – und dann verkauft!

Als kleines Mädchen kam Nicole zu ihren Adoptiveltern. Erst viele Jahre später stellte sich heraus, dass sie als Kind denleiblichen Eltern gestohlen worden war.

Sie kommen immer wieder! Ihr ganzes Leben lang haben Nicole Culverhouse Erin­nerungsfetzen aus ihrer frühen Kindheit verfolgt. «Da war ein Häuschen mit einer freundlichen Frau», berichtet die 51-Jährige. «Ein Spielplatz. Und dann diese böse Frau im dunklen Kleid. Sie zerrte mich weg. Ich weinte, wollte zurück.»

Es dauerte 36 Jahre, bis der Amerikanerin klar wird, was es mit diesen schmerzhaften Erinnerungen auf sich hat: Sie war als vierjähriges Mädchen in Kolumbien entführt und danach verkauft worden! Ihre lie­bevollen Adoptiveltern ahnten damals nichts davon, dass ihre Papiere gefälscht waren und sie eigentlich mit richtigem Namen Irene Medina Blanco hiess.

Doch Nicole lassen die offenen Fragen keine Ruhe: Wie war sie überhaupt in das Waisenhaus nach Bogota gekommen? Eines Abends hört die mittlerweile verheiratete Soldatin von einigen südamerikanischen Kameraden, dass sie selbst «gestohlene Kinder» seien. Nicole wird stutzig. Erklärt das alles?

Zwei Monate später sitzt die junge Frau im Flieger nach Kolumbien. «Ich wollte die Wahrheit wissen!» Doch wie vorgehen? Mithilfe des Reisebüros startet sie einen grossangelegten Presseaufruf. Und es funktionierte! Ana Lucia Blanco trifft fast der Schlag, als sie ihre verschollene Tochter in einem TV-­Bericht entdeckt. «Das war meine kleine Irene», erinnert sich die pensionierte Lehrerin. «Jeden Tag habe ich an sie gedacht. Ich war immer überzeugt, dass sie noch lebt.»

Als sich die beiden Frauen wenig später zum ersten Mal gegenüberstehen, spüren sie sofort eine tiefe Verbindung. Die Mutter kann nicht aufhören, Nicoles Gesicht zu streicheln. «Jetzt tut mein Herz endlich nicht mehr weh», sagt sie glücklich.