«Ein falsches Gutachten nahm uns die Tochter»

Drei bittere ­Jahre kämpften die Eltern der kleinen Louna vor ­Gericht, bis Wahrheit und Gerechtigkeit endlich ­siegten. Es stellte sich heraus, dass das Paar zu Unrecht unter Verdacht stand.

Wunschkind Louna ist erst wenige Wochen alt, als die Kleine ständig erbricht. Mutter Sabrina Dietsch (30) aus Frankreich ist alarmiert, sie leidet selbst an einer Erbkrankheit, dem hereditären Angioödem. Dabei schwellen Organe an, die Symptome reichen von Übelkeit über Atemnot bis hin zu Blutergüssen. Doch erst beim dritten Arztbesuch wird Louna ins Spital eingewiesen, ihr Körper ist nun auch von blauen Flecken übersät. Und der Albtraum beginnt!

Ohne mit den Eltern zu sprechen, wird das Jugendamt informiert. Der Vorwurf: Kindsmisshandlung. Als Louna noch in der Klinik versorgt wird, sind ihre Mama und Papa Yoan (30) bereits in U-Haft. «Für die Polizei stand sofort fest, dass wir die Schuldigen sind», erinnert sich Sabrina. Niemand hört ihr mehr zu. Ohne eine Blutanalyse durchzuführen, bei der die Erbkrankheit hätte diagnostiziert werden können, urteilen drei medizinische Experten: Die Eltern hätten das Kind verletzt. Obwohl weder Hausdurchsuchung noch Befragungen  des Umfelds Beweise für eine Vernachlässigung hervorbringen, werden Sabrina und Yoan angeklagt. Ein jahrelanger Prozess beginnt, das Sorgerecht wird ihnen entzogen, Louna kommt in eine Pflegefamilie.

«Sie haben mich um ihre ersten Worte gebracht, ihre ersten Schritte. Um Millionen magische Momente», klagt Mama Sabrina an. Drei bittere Jahre lang kämpfen sie und ihr Mann gegen Gerichte, und das Misstrauen. Sie werden zum zweiten Mal Eltern, dabei seltsamerweise nicht vom Jugendamt geprüft und dürfen Louna schliesslich gelegentlich zu sich holen. Den Durchbruch aber bringt erst ein neues ärztliches Gutachten, das ihre Anwältin erstreitet. Endlich wird eine Blutuntersuchung durchgeführt und tatsächlich: Louna leidet an derselben Krankheit wie ihre Mutter. Ihre Eltern haben ihr nie etwas getan. Sie darf zurück!

Die Klagen gegen die Gutachter und die Klinik wurden eingereicht und laufen nun. «Aber die Zeit, die wir verloren haben, bekommen wir nicht mehr ­zurück», sagt die Mutter, die das Erlebte im Buch «Nie wieder ohne dich» (Verlag Lübbe) verarbeitet hat.

Ein Verdacht – was nun?

Das Nachbarskind hat blaue Flecken, die Arbeitskollegin ein blaues Auge: Für sich genommen, muss das nichts bedeuten. Aber wenn andere Indizien dazukommen, entsteht ein böser Verdacht. Was tun? Ist das mögliche Gewaltopfer erwachsen, sollte man Hilfsbereitschaft signalisieren. Bei Verdacht auf Kindsmisshandlung muss laut der Opferhilfeorganisation «Der weisse Ring» dem nachgegangen werden. Andererseits kann eine zu Unrecht geäusserte Vermutung ein Leben ruinieren. Man solle sich erst einmal an eine Vertrauensperson wenden, ob sie etwas bemerkt hat.