Die Todesbrücke der Hunde

Die Brücke von Dumbarton in Schottland ist tatsächlich bekannt als «Hunde-Selbstmord-Brücke». In drei Bögen überspannt die viktorianische Overtoun Bridge ein Flüsschen, das knappe 20 Meter unterhalb der Brüstung aus schwarzem Basalt fliesst.

Wer hier mit dem Hund unterwegs ist, nimmt ihn besser an die Leine. Denn je nach Quelle sind in den vergangenen Jahrzehnten 300 bis 600 Hunde von der Brücke gesprungen, 50 davon überlebten es nicht. Was die Hunde dazu antreibt, ist heute noch ein Rätsel. Einige haben versucht, es zu lösen. Darunter Paul Owens, ein Lehrer aus dem nahen Glasgow, der dem Phänomen seit elf Jahren auf den Grund gehen will. Er hat auch ein Buch darüber geschrieben, ist der Ansicht, dass ein Fluch auf der Brücke liegt: Der Geist von Lady Overtoun, der 1931 verstorbenen Herrin des prächtigen Anwesens, zu dem die Brücke gehört, soll Auslöser für die Unfälle sein. Auch Owens will eine «Präsenz» gespürt haben, als er auf der Brücke stand. «Ich fühlte einen Phantom-Finger in meinem Rücken, der mich nach vorne trieb.»

Anwohner wissen allerdings auch, dass der Overtoun-Fluss in der alten keltischen Glaubenswelt ein «Thin place» ist. Ein Platz, an dem sich Himmel und Erde überlappen. Ob die Hunde mit ihren  sehr viel besseren Sinnen dies wahrnehmen und deshalb freiwilig über die Brüstung springen?

Die Geschichte von Alice Trevorrow befeuert die paranormalen Thesen. Ihre dreijährige Hündin Cassie sprang 2014 von der Overtoun Bridge und überlebte. «Als wir aus dem Auto stiegen, eilte sie voraus, mit den Augen zum Himmel. Dann war sie wie festgenagelt. Plötzlich rannte sie los und sprang über diese Brücke. Noch immer kann ich ihr Jaulen hören, als wäre es gestern gewesen», erzählt sie. «Es ist überhaupt nicht Cassies Art, sowas zu tun. Da ist etwas Unheimliches im Gange.»

Zoologe Dr. David Sands hält nichts von der Fluch- und Selbstmord-These. Ihm fiel auf, dass besonders häufig Hunde mit langen Nasen und besonders ausgeprägtem Geruchssinn in die Tiefe gestürzt sind. Er glaubt nicht an Selbstmord. Vielmehr vermutet er, dass der Geruch von Wildtieren in dem grünen Flusstal sie anzieht. Besonders der von Nerzen, der besonders unwiderstehlich sein soll. Sands bewies das mit einem Experiement: Er stellte drei Gefässe mit dem Geruch von Mäusen, Eichhörnchen und Nerzen auf und liess Hunde unterschiedlicher Rasse darauf los. Sieben von zehn Hunden rannten sofort zum Nerz-Gefäss. Dr. Sands ist sicher: «Es ist Neugier, die die Hunde umbrachte.» Von der Brücke aus können sie nicht ahnen, wie tief es hinter der Brüstung runtergeht. «Wenn sie auf oder über die Brüstung springen, gibt es kein Zurück.»

Immerhin: Die Anzahl der Unfälle ist rückläufig. Viele wissen inzwischen von den Vorkommnissen und passen besser auf ihre Tiere auf. Zudem warnen Schilder vor der Gefahr.