Die Liebe ist stärker als der Tod

Verena und Alex verloren in einem ­Feuerinferno zwei ihrer sechs Kinder. Sie haben tiefe Verzweiflung in neue Hoffnung verwandelt – und geheiratet.

Es geschah vor etwas mehr als einem Jahr. In der Nacht zum 6. November 2020 brach im Mietshaus der kleinen Familie ein Feuer aus. Schuld war eine defekte Lampe im Flur. Die Flammen und der Rauch überraschten Alex (27), Verena (25) und ihre sechs Kinder im Schlaf. Vier Kinder und sich selbst konnten die Eltern retten. Aber Larissa (7) und Josephine (5) schafften es nicht – beide Töchter starben durch das Feuer. Ein Schicksalsschlag, so gewaltig und so brutal, dass andere Familien daran verzweifelt und viele sogar zerbrochen wären.

Nicht so Verena und Alex Noll aus Pirmasens (D). Sie verloren zwei ihrer Kinder. Aber nicht ihren Glauben an die Liebe. Die ist stärker als Tod und unermessliche Trauer! Knapp sieben Monate nach der Tragödie, am 4. Juni 2021, heirateten sie. Die Braut im weissen Kleid, der Bräutigam im schwarzen Anzug. Die Kinder waren dabei – die Jungs Jonathan (1), Jeremy (6) und Jaydan (5) trugen graue Westen und dunkle Fliegen. Töchterchen Jesmyn (2) ein rosafarbenes Kleid und Blümchen im Haar. Verena Noll zu «Bild am Sonntag»: «Wir wollen alle zusammenhalten, vor allem für unsere Kinder positiv nach vorn schauen. Dafür haben wir uns ganz bewusst entschieden.»

Was der Mutter ausserdem wichtig ist: «Jetzt haben wir alle, nachträglich auch unsere beiden toten Kinder, denselben Nach­namen. Wir sind eine tolle Familie.» Doch die Freude über die Hochzeit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Feuer-Drama die Familie weiterhin belastet. Der Brand wird auch ein juristisches Nachspiel haben.

Die Staatsanwaltschaft hat kürzlich Anklage gegen den Hauseigen­tümer (64) erlassen. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung in zwei Fällen und fahrlässige Brandstiftung. Fast ein Jahr lang wurde ermittelt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Hauseigentümer keine gesetzlich vorgeschriebenen Rauchmelder in der Wohnung der Familie anbringen liess. Ausserdem ergaben die Ermittlungen, dass der Brand in der defekten Elektrik der Flurbeleuchtung ausbrach. Der Hauseigentümer soll von der kaputten Beleuchtung gewusst, aber nicht gehandelt haben.

Die Staatsanwaltschaft schreibt: «Der Tod der beiden verstorbenen Kinder hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei ordnungsgemässer Anbringung der Rauchwarnmelder und der Reparatur der Flurbeleuchtung verhindert werden können.» Bei einer Verurteilung drohen dem Hausbesitzer bis zu fünf Jahre Haft, er hält dagegen. Verena Noll: «Er behauptet, wir hätten Rauchmelder abgebaut, damit wir in der Wohnung rauchen können. Das ist Blödsinn!»

Damit nicht genug: Der Haus­eigentümer fordert von der Familie sogar Geld! Seine Argumen­tation: Das im November 2020 abgebrannte Haus sei bewohnbar. Die Familie, die nach dem Feuerdrama in eine neue Wohnung in der Nähe zog, habe aber erst zu Ende Juni 2021 gekündigt. Daher habe sie 7679 Euro Mietschulden.

Die Eltern fordern im Gegenzug ihrerseits knapp 70 000 Euro vom Hauseigentümer. Verena Noll: «Er schuldet uns unter anderem Unterbringungskosten und Hinterbliebenengeld. Das werden wir auch zivilrechtlich einklagen.»

Ein Termin für den Strafprozess wegen fahrlässiger Tötung und Brandstiftung steht noch nicht fest. Verena Noll: «Ich hoffe, dass der bald beginnt. Erst wenn er vorbei ist, können wir mit dem Brand abschliessen und endlich anfangen, als Familie zur Ruhe zu kommen.»