«Deshalb höre ich nach 18 Jahren jetzt auf!»

Intensivpfleger Kamil Albrecht hat seinen geliebten Job aufgegeben. Zwei Jahre Pandemie waren für ihn einfach genug.

Eine Klinik in Düsseldorf (D), es ist Donnerstag, 20.30 Uhr. Corona-Intensivpfleger Kamil Albrecht (35) beendet seine letzte Schicht und leert seinen Spind. Das war’s! Er hat gekündigt – nach 18 Jahren in der Pflege. «Ein Mega-­Gefühl!», sagt er der «Bild am Sonntag», als er das Spital nach seinem letzten Arbeitstag verlässt. «Ich bin erleichtert. Jetzt fahre ich zu meiner Freundin, und wir essen Pizza.»

Ein freudiger Moment für Albrecht, ein Riesenproblem aber für die Klinik und das ganze Land. Da wird jeder Intensivpfleger, jede Intensivpflegerin dringend gebraucht! Albrecht ist einer von Tausenden, die aussteigen oder damit liebäugeln − der «Pflexit» ist Dauerthema in sozialen Medien. Denn Pflegende haben zu viel Stress und bekommen zu wenig Gehalt − der Applaus auf den Balkonen ist längst verhallt.

Albrecht kämpfte seit Pandemie-­Beginn gegen das Virus. Von Februar 2020 bis vor zwei Wochen. Immer an vorderster Front, auf Intensivstationen in Köln, Essen und Düsseldorf. Er pflegte rund 200 Corona-Patienten, 100 hingen an der Herz-Lungen-Maschine − zwei Drittel verstarben. Warum wirft Albrecht jetzt hin? «Ich liebe meinen Job», erklärt er. «Aber unter den aktuellen Bedingungen will ich einfach nicht mehr.»

Er nennt drei Gründe. So zu wenig Personal: «Ich darf eigentlich nur zwei Intensivpatienten zeitgleich betreuen − doch in der Pandemie waren es bis zu vier. Manchmal kam noch ein frisch operierter Überwachungspatient dazu. Viele neue Kollegen erhalten an der Herz-­Lungen-Maschine und anderen überlebenswichtigen Geräten nur einen Crashkurs. Und das Schlimmste: Keiner beschwert sich! Das kann auf Dauer nicht gut gehen.»

Dann keine Wertschätzung: «Wir pflegen nicht nur Patienten, wir leeren die Mülleimer, machen Betten, putzen Zimmer, füllen Regale auf, bringen Leichen in den Keller. Und zu viele Ärzte hören sich unsere Expertise nicht an. Obwohl wir die Patienten so gut kennen wie sonst keiner. Und obwohl wir als Team arbeiten sollten! Das macht unzufrieden. Daran ändert auch eine Corona-Prämie nichts.»

Und keine Besserung in Sicht: «Wir Pflegenden schaffen es einfach nicht, uns zu organisieren − nicht einmal während der Pandemie, wenn alle Welt begreift, wie wichtig wir sind. Die wenigsten sind in einer Gewerkschaft. Sie haben kein ‹Wir-Gefühl›, aber ein grenzenloses Helfersyndrom auch gegenüber ihrer Klinik. Sie übernehmen jeden Dienst, arbeiten oft zwölf Tage am Stück, halten das profitorientierte System am Laufen. Das nutzen die Kliniken aus!»

Und die Bezahlung? Albrecht arbeitete für eine Zeitarbeitsfirma, erhielt 5100 Euro brutto − rund 1000 Euro mehr als Festangestellte. Er sagt selbstbewusst: «Ich bekam, was jeder in meinem Job bekommen sollte.»

In seiner letzten Schicht pflegte er zwei Männer. Einen Nicht-Infizierten (70), frisch operiert an der Wirbelsäule. Und einen Infizierten (50), beatmet, geimpft, übergewichtig. Albrecht: «Er litt unter der Beatmungsmaske, bekam Panik, brauchte vor allem psychologische Pflege.» Albrecht kann ihm nicht mehr helfen. Er wird künftig als Social-Media-Manager arbeiten.

Hat er ein schlechtes Gewissen, jetzt aufzuhören? «Nein, ich habe 18 Jahre lang alles gegeben.»