Der Pelikan der Herzen

Hilflos in eine Angelschnur verwickelt, wäre der Wasservogel jämmerlich verendet! Seine menschlichen Retter sind ihm dann so ans Herz gewachsen, dass er bei ihnen bleiben wollte.

Es ist ein schrecklicher Anblick für Jeff und Cameron. Die beiden arbeiten in einer Safari-Lodge im Mahale Nationalpark in Tansania. Bei einem Bootsausflug finden sie einen Pelikan: Der grosse Wasservogel hat sich mit seinen Beinen in einer Angelschnur verheddert und kann sich nicht mehr fortbewegen. Und das offenbar schon seit mehreren Tagen oder gar Wochen.

Jeff und Cameron wollen dem Tier helfen. Anfangs ist der Pelikan nicht gerade begeistert von seinen Rettern und hat Angst vor ihnen. «Es war gar nicht einfach, ihn zu befreien», berichtet Jeff, «er schlug wild mit den Flügeln und hieb nach uns.» Bei dem gigantischen Schnabel und Flügeln mit einer Spannweite von rund drei Metern braucht es Mut, sich einem um sich schlagenden Pelikan zu nähern.

Schliesslich gelingt es den beiden aber, den Vogel zu beruhigen. «Er hat bald gemerkt, dass wir ihm nichts Böses wollen und ihm helfen können», erklärt Jeff. Zurück in der Safari-Lodge kümmern sich die beiden Freunde rührend um ihren Schützling und päppeln ihn wieder auf. «Wir haben ihn Bibo genannt – nach dem grossen Vogel aus der ‹Sesamstrasse›», sagt Jeff lachend. Als Bibo wieder fit ist, hat er seine Retter so sehr ins Herz geschlossen, dass er gar nicht mehr weg will. Er ist handzahm und geniesst die Gesellschaft von Menschen.

Inzwischen ist er die Attraktion der Touristen-Unterkunft. «Am liebsten döst er auf dem Dach des Camps vor sich hin. Oder er badet in seinem Plastikpool und putzt sich ausgiebig», erzählt Jeff. «Doch seinen grossen Auftritt bei den Mahlzeiten verpasst er nie. Bibo liebt es, im Mittelpunkt zu stehen.»

Sobald sich die Gäste zum Dinner an ihren Tischen versammeln, stolziert der Pelikan durch den Raum und zieht die Blicke aller auf sich – als wäre er der Gastgeber! Der elf Kilogramm schwere Vogel gesellt sich regelmässig bei den Mahlzeiten zu den Gästen und sorgt damit für grosse Begeisterung. Auch bei Bootsausflügen auf dem angrenzenden Tanganjikasee ist Bibo immer mit dabei und bringt den Touristen den einen oder anderen Fisch.

Wenn neue Gäste zur Lodge kommen, steht Bibo schon bereit, um sie zu begrüssen. Einen von ihnen erwählt er dann zu seinem ganz besonderen Freund. «Meistens ist es ein Mann. Bei Frauen ist er etwas schüchtern», weiss Jeff. Die Zuneigung des Pelikans trifft immer auf Gegenliebe: «Eigentlich kommen die Gäste zu uns ins Reservat, um Schimpansen in der Wildnis zu beobachten. Aber am Ende ist Bibo das Highlight ihres Aufenthalts. Oft gibt es Tränen, wenn sich die Gäste wieder von ihm verabschieden müssen.»