In der Einsamkeit des Waldes auf Menschlichkeit getroffen
David (50) ist obdachlos und krank. Derzeit ist er als Patient im Spital Sune-Egge in Behandlung. In seinem Leben ist vieles schiefgelaufen, hadern mag er aber nicht. Sein Optimismus ist bewundernswert, wenn er über sein Leben spricht.
Ich mache niemandem einen Vorwurf, dass es so gekommen ist. Auch mir nicht, wobei ich sicherlich falsche Entscheidungen getroffen habe. Doch frei von äusseren Einflüssen waren die ja nicht. Es ist so, wie es ist. Ich habe gelernt, die Dinge zu akzeptieren und versuche, das Beste daraus zu machen. Schliesslich kann ich auch nichts dafür, dass ich psychisch erkrankte und mehrmals in Behandlung in der Psychiatrischen Uniklinik Burghölzli war. Dass ich seit meinem 22. Lebensjahr eine IV beziehe, ist Segen und Fluch zugleich. Finanziell sichert die IV meine Existenz. Problematisch ist, dass mir eine geregelte Tagesstruktur fehlt, seit ich keinen Job mehr habe. Ich denke, dass dies massgeblich dazu beitrug, dass ich zu viel Zeit hatte und begann, mich treiben zu lassen. Meinen erlernten Beruf als Detailhandelsangestellter konnte ich nicht mehr ausüben. Und auch Sport treiben lag bald nicht mehr drin. Dabei liebte ich das Skifahren und das Windsurfen. Doch meine psychische Erkrankung und der Drogenkonsum, den ich in der RS begann, warfen mich aus der Bahn.
Aufgewachsen bin ich in einer konservativen jüdischen Familie. In der Israelitischen Kultusgemeinde Zürich besuchte ich den Religionsunterricht und erhielt mit 13 Jahren meine Bar Mizwa. Das ist im Judentum die Religionsmündigkeit, vergleichbar mit der Konfirmation bei den Reformierten. Ich bin aber nicht sehr religiös, sodass ich seit der Bar Mizwa kaum mehr Kontakt zu meiner Gemeinde habe. Diese lässt mir aber zu Weihnachten jeweils ein Geschenk zukommen. Das finde ich rührend. Ansonsten aber herrscht Funkstille. Die jüdischen Speisegesetze sind mir egal. Ich mag zum Beispiel Speck. Mit den Mahlzeiten im Spital Sune-Egge kann ich bestens leben. Dort kochen sie wirklich gut. Überhaupt fühle ich mich dort menschlich angenommen und fachlich bestens aufgehoben. Das war im städtischen Spital, in welches ich wegen meiner akuten Lungenentzündung im vergangenen Winter eingeliefert worden war, ganz anders. Die Ärzte dort merkten nicht, dass ich eine Lungenentzündung hatte. Sie meinten, ich sei bloss vom vielen Rauchen etwas geschwächt.
Im vergangenen Winter verbrachte ich mehrere Wochen im Pfuusbus. Für die rührende Aufnahme und Gastfreundschaft des Teams bin ich sehr dankbar. Überhaupt machen die Sieber-Leute einen guten Job. Einzig das Taschengeld, das ich im Sune-Egge erhalte, ist etwas schmürzelig. Leider habe ich Pfarrer Sieber nie persönlich getroffen. Auch früher nicht, obwohl ich als Hasch-Dealer schon auf dem Platzspitz und dem Letten verkehrte. Aber für mich ist er ein Volksheld! Wie er sich für Schwache einsetzt, imponiert mir.
Obdachlos bin ich erst seit drei Jahren. Zuvor lebte ich viele Jahre in betreuten Wohnangeboten. Als die Stadt das Regime änderte und solche Wohnmöglichkeiten bevorzugt an Alleinerziehende mit Kindern vergab, wurde es für mich schwierig. Als Obdachloser hatte ich verschiedene Bleiben. Im Sommer lebte ich zunächst im Zelt am Zürichsee. Später nächtigte ich im Flughafen und später im stadtnahen Wald. Warum ich mein Quartier lieber ausserhalb der Stadt aufschlug? Dort wird man als Obdachloser eher in Ruhe gelassen. In der Stadt muss man stets aufpassen, nicht vertrieben oder gar verprügelt zu werden. Im Sommer ist es ganz okay draussen zu leben, aber im Winter ist es hart. Ich bin dankbar, dass ich von den Sieber-Leuten während meiner Zeit im Wald einen Schlafsack, Kleider und Essen erhielt. Gratis, verstehst du? Das finde ich nicht selbstverständlich. An ihrer Haltung gegenüber Notleidenden sollte sich die Gesellschaft ein Beispiel nehmen.
Schaff es Dihei
In der aktuellen Winterkampagne machen die Sozialwerke Pfarrer Sieber (SWS) auf die Not Obdachloser aufmerksam. Unterstützen Sie unsere Arbeit zugunsten von Menschen am Rande der Gesellschaft. Wir danken Ihnen herzlich für Ihr Engagement.
Spendenkonto PC 80-40115-7, Infos unter www.swsieber.ch/schaff-es-dihei oder #schaffesdihei oder facebook.com/SozialwerkePfarrerSieber