Demenzkranker verhungerte erbärmlich in seinem Bett

Vor Gericht mussten sich die Frau und der Sohn des Verstorbenen verantworten. Das Urteil ist verblüffend!

Als Jürgen E. († 51) mit seinem Silo-Laster auf einem Parkplatz stand und nicht mehr wusste, wo er war, dachte man zunächst an ein Burnout. Doch dann wurde vor vier Jahren bei dem langjährigen Fahrer einer Beton-Firma eine fortschreitende Alzheimer-Demenz diagnostiziert. Wie schon bei seiner Mutter und seiner Oma.

Jürgen ging in Frührente. Ehefrau Ute (52) und Sohn André (24) übernahmen die häusliche Pflege. Vier Jahre später war Jürgen E. tot − verhungert in seinem eigenen Bett. Nun wurde die Tragödie aus dem Ort Taubertal (Bayern) vor dem Amtsgericht Würzburg verhandelt. Staatsanwalt Dennis Peikert legte Mutter und Sohn fahrlässige Tötung zur Last. «Wäre der Geschädigte einem Arzt vorgestellt worden, hätte sein Verhungern verhindert werden können», hiess es in der Anklage. Bei der Obduktion am 13. August 2017 wog der 1,78-Meter-Mann nur noch 34 Kilo. Andere Verwandte hatten ihn da schon lange Zeit nicht mehr gesehen. «Das Haus war wie eine Blackbox, keiner kam rein», sagte der Schwager (65) von Jürgen E. der «Bild am Sonntag». Und weiter: «Sein Sohn meinte, dass es Papa nicht gut gehe.»

Die Ehefrau habe auf Fragen nach dem Zustand ihres Mannes nur gesagt: «Wenn er nichts isst, kann ich ihn ja nicht dazu zwingen.» Im Prozesstermin wollten Mutter und Sohn erst nach Ausschluss der Öffentlichkeit ihre Version der Dinge erzählen. Laut Staatsanwalt bestand für beide eine Patientenverfügung und eine Gesundheitsvollmacht. «Sie hatten für Wohl und Weh des Geschädigten einzustehen», so der Staatsanwalt. Spätestens anderthalb Wochen vor dem Tod von Jürgen E. hätten Ehefrau und Sohn die lebensgefährliche Auszehrung des Mannes erkennen müssen.

Der Verteidiger wehrte sich gegen die Anklage: Die Abmagerung sei krankheitsbedingt und unumkehrbar gewesen, und die Ehefrau sei überfordert gewesen und habe sich im Stich gelassen gefühlt. «Sie konnten nicht erkennen, dass die Grenzen häuslicher Pflege überschritten waren.» Der angeklagte Sohn ergänzte später: Er habe sich stark belastet gefühlt und sich aus der Pflege mehr und mehr zurückgezogen.

Über die Traueranzeige in einer Lokalzeitung liessen Ehefrau Ute und Sohn André die Worte abdrucken: «Als Gott sah, dass der Weg zu lang, das Atmen zu schwer wurde, legte er den Arm um dich und sprach: ‹Komm wir gehen heim.›»

Den Angeklagten drohten bis zu vier Jahre Haft. Das Urteil, das kürzlich gefällt wurde, war verblüffend: Das Amtsgericht Würzburg (Bayern) sprach die beiden vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Laut dem ­Urteil gibt es keine Hinweise darauf, dass die beiden den Mann nicht genug versorgt hatten oder zu spät um Hilfe riefen.