Dem Magerwahn ­entkommen

Laura wog bei 1,71 Metern nur noch 47 Kilo – dann zog sie die Notbremse und hilft jetzt anderen Magersüch­tigen.

Vor sieben Jahren wird Laura (21) todkrank in ein Spital eingewiesen – gegen ihren Willen. Bei einer Körpergrösse von 1,71 Meter wiegt die Deutsche nur noch 47 Kilo – und ­findet sich immer noch zu dick! Sechs Monate verbringt der Teenager in der Kinderpsychiatrie. «Ich war am Tiefpunkt meines Lebens angelangt und habe mich hochgekämpft!» So beschreibt Laura die Zeit im Krankenhaus, damals vor sieben Jahren. Ihre Mutter Heike (42) hatte die Warnzeichen erkannt und ihre Tochter dorthin gezerrt: «Laura war nur noch Haut und Knochen, die Haare ganz dünn, teilweise sind sie ausge­fallen.»

Zuvor hat sich die Schülerin allerhand Tricks einfallen lassen, um Heike glauben zu lassen, dass sie normal isst: «Sie hat Krümel in die Brotdose gestreut, sodass ich dachte, sie habe ihr Pausenbrot gegessen.» Akribisch führte Laura ein Ernährungstagebuch. Jeden Tag notierte sie, was sie gegessen hat. An manchen Tagen einen Apfel und drei Reiswaffeln, manchmal auch gar nichts. Mehr als 500 Kalorien täglich sind es nie.

Die Magersucht wird für Laura eine Flucht: «Ich dachte, die Mädchen in der Schule sind alle schlanker, schöner, erfolgreicher als ich.» Mit dem Magerwahn lenkt sie sich von ihren alltäglichen Unsicherheiten ab: «Da wusste ich: Damit habe ich Erfolg und kann etwas.» Doch mit der Zeit treten die typischen Magersucht-Symptome auf: Laura friert im Sommer, und beim Schlafen liegen ihre knochigen Beine aufeinander, was ihr grosse Schmerzen verursacht. Das einschneidende Erlebnis hat sie in einer Einkaufsmeile. Ein mageres, «lebloses» Mädchen kommt ihr entgegen: «Sie sah so leer aus. Da habe ich verstanden, dass ich leben wollte.»

Heute spricht Laura ganz offen über ihre Erfahrung. Sie hat ­Bücher geschrieben und hilft Menschen, die an Anorexie leiden. «Bei Betroffenen ist gerade der Austausch mit Menschen, die die Situation erlebt haben und ­daher nachvollziehen können, wichtig. Ich habe mir damals ­jemanden gewünscht, der mir ­gesagt hätte: ‹Entscheide dich für das Leben!›»