Das Wunder von Entlebuch

Bei einem schweren Unfall verlor Franz Wicki die rechte Hand – die Ärzte nähten sie ihm in einem komplizierten und weltweit sehr seltenen Eingriff wieder an.

Eigentlich wollte er an diesem Märztag vor einem Jahr nur Holz spalten. Damit das einfacher ging, benutzte Hobbylandwirt Franz Wicki (65) aus Entlebuch im Kanton Luzern eine Spaltmaschine, die er gemietet hatte. «Ich legte noch einmal einen Holzrugel drauf, drehte ihn zurecht», erinnert er sich. Aus ungeklärten Gründen sauste der Keil nach unten – und trennte Franz Wickis rechte Hand ab. Schock? «Nein, gar nicht», erinnert er sich. «Ich fühlte keine Schmerzen und hatte auch keine Angst, ich könnte sterben.»

Seine Hilferufe hörte zuerst seine Nachbarin, die sofort den Notruf 144 alarmierte. Trotz seiner Verletzung stellte Wicki noch den Traktor ab und lief zum Haus. «Den Arm hielt ich hoch und wies meine Nachbarin an, mir den Oberarm mit einer Schnur abzubinden.» Innert einer Viertelstunde waren Arzt, Ambulanz, Rega und die Polizei da. Der Arzt holte die Hand und verpackte sie in einen Plastiksack. Dann wurde Franz Wicki per Helikopter direkt ins Kantonsspital Luzern eingeliefert. Dort wurde die rechte Hand nicht an der abgetrennten Stelle, sondern am rechten Oberschenkel angenäht – damit die Durchblutung gewährleistet blieb. Nach acht Tagen, am 20. März 2018, wurde die Hand in einer zehnstündigen Operation wieder an den Arm angenäht. Nach dem Eingriff fühlte Franz Wicki zum ersten Mal überhaupt sehr starke Schmerzen. «Ich wurde dauernd durch zwei Ärzte überwacht.»

Bereits im Spital begann die Ergotherapie, um die Beweglichkeit der Finger anzuregen. «Noch spürte ich allerdings keine Empfindungen an der Hand und den Fingern, die ich noch nicht bewegen konnte.» Dem zuständigen Chefarzt, Elmar Fritsche, und seinem Team ist er sehr dankbar für die aussergewöhnliche Leistung. Es war weltweit erst die zehnte Operation in dieser Art, bei der die Hand zunächst am Oberschenkel «parkiert» und wieder erfolgreich angenäht wurde. Nach einem Monat konnte Franz Wicki das Spital verlassen. Dreimal in der Woche ging er in die Ergo- und Handtherapie. Für die Spezialistin war er der erste Patient mit einer derartigen Verletzung. Da sein Handgelenk versteift worden war, fehlten das Gefühl und die Kraft noch. «Ein bis zwei Jahre könne das dauern, sagte man mir.»

Zu Hause war er anfangs total auf Hilfe angewiesen. «Ich musste viele Tätigkeiten wie Schreiben, Essen und Zähneputzen mit der linken, nicht verletzten Hand üben», erzählt er. Schreiben gehe zwar mit einem dicken Stift, mit einem Kugelschreiber klappe es nicht. Was ebenfalls funktioniert, sind kleinere Hebe-Arbeiten. Eine grosse Hilfe ist ihm stets Ehefrau Barbara (60), die sich rührend um ihn kümmert. «Meine emotionale Verfassung bleibt bis anhin gut. Ich denke positiv, dass ich mit meiner verletzten Hand möglichst vieles wieder lerne, was ich früher konnte.»

Im vergangenen Oktober erfolgten Nachoperationen. Im Spital wurde die Eisenplatte entfernt, die zur Fixierung des Handgelenks nötig war. Auch die Sehnen wurden freigelegt. Zur Abdeckung dieser war auf der Unterseite des Handgelenks zusätzlich Haut nötig. Zwei Operationen mit Hautverpflanzungen waren nicht erfolgreich. «Das waren drei Tage ohne Fingerbewegung, was bei mir eine Krise auslöste», erinnert sich Franz Wicki. «Meine Geduld war am Ende, und ich war frustriert und verunsichert, dass die Genesung nicht planmässig fortschritt.» Nach zehn Tagen verliess er das Spital für einige Tage. «Zu Hause war und bin ich auf die Hilfe der Spitex angewiesen, da meine Hand zur Wundheilung immobil bleiben musste. Zudem schmerzte der linke Arm, weil von dort Haut transplantiert wurde.» Nach der dritten ambulanten Operation schöpfte er wieder Mut, da es aufwärts ging, die Hautverpflanzung nun erfolgreich war. «Inzwischen nehme ich wieder einige Sinnesempfindungen an Handfläche und Fingern wahr.»

Mit positivem Denken und gutem Willen arbeitet er weiter am Kraftaufbau der Finger und trainiert die Beweglichkeit so weit wie möglich. «Im Alltag gelingen mir kleine Greifbewegungen mit der rechten Hand», sagt Franz Wicki. «Die Kraft und die vollständige Funktion in den Fingern fehlen noch.» Was ist sein grösster Traum? «Ich möchte meine rechte Hand im Alltag wieder brauchen. Ich bin mir aber bewusst, dass Einschränkungen durch die Versteifung des Handgelenkes bleiben werden.» Zwei Hobbys kann er nicht mehr nachgehen: Fahnenschwingen und Schiessen. «Meiner Leidenschaft, dem Jassen, kann ich aber nach wie vor frönen.»