Suche nach Frieden
Briefe an den Mörder ihres geliebten Papas
Ihr Vater wurde von einem Junkie ermordet. Um zu innerer Ruhe zu kommen, nahm Carys Cragg mit dem Täter Kontakt auf.
Es war schon fast ein neuer Tag, als die Schreie ihre Mutter Carys Cragg (37) 1992 aus dem Schlaf rissen. Das damals elfjährige Mädchen stürmte die Treppen herunter und sah seinen Vater. Blutüberströmt lag Geoffrey im Wohnzimmer. Zwei Stunden später starb er im Spital.
Er war das Opfer eines Räubers. Schnell kam die Polizei Sheldon Klatt auf die Spur. Wochen später wurde der Junkie deshalb für 25 Jahre ins Gefängnis gesperrt. Carys und ihrer Familie brachte das keine Genugtuung. Die Trauer und der Schmerz blieben. Das Mädchen drohte, depressiv zu werden. Sie schrieb damals laut Zeitschrift «In» in ihr Tagebuch: «Ich vermisse meinen Papi. Ein Mann hat ihn getötet. Ich hasse diesen Mann und werde ihm nie verzeihen.»
Heute weiss sie, dass genau dieser Hass sie zu zerstören drohte. «Der Mörder war ein Geist, er bestimmte mein Leben.» Also beschloss sie 2011, ihm einen Brief ins Gefängnis zu schicken. «Ich begriff, wenn ich mit dem Tod meines Vaters abschliessen will, musste ich Antworten auf die vielen Warums bekommen.»
Und Sheldon Klatt antwortete ihr: «Liebe Carys, unsere Leben sind zusammengekracht. Nicht durch eine bewusste Entscheidung, sondern durch die selbstsüchtige Gier eines drogenabhängigen Kriminellen. Ich werde dir alles sagen, was du wissen willst.»
13 weitere Briefe schrieben die beiden sich. 2012 besuchte Carys ihn im Gefängnis. Sie wusste nun, in welch furchtbaren Verhältnissen Sheldon aufgewachsen war. «Es tut mir leid, dass du nie die Chance hattest, einen Vater wie meinen kennenzulernen», sagte sie ihm.
Sheldon bereut seine Tat zutiefst. «Ich kann nichts tun, um das wieder gutzumachen, was ich getan habe. Aber vielleicht kann ich deinen Vater ehren, indem ich mein Leben wieder in den Griff bekomme.»
Seine Einsicht ist für Carys eine Art Befreiung: «Ich verstand: Den Frieden, den ich suche, kann ich nur in mir selbst finden, nicht bei ihm.»