Projekt «Wünschewagen»
«Bevor ich sterbe, wollte ich Ferien mit meiner Familie machen»
Weil er an einem unheilbaren Hirntumor leidet, wird Robert nicht mehr lange leben. Nun ging sein letzter Wunsch in Erfüllung.
Als Robert Raeithel (42) am frühen Morgen das Hamburger Hospiz verlässt, ist es der Beginn eines ganz besonderen Tages. Denn heute wird ihm von seiner Ehefrau Petra (41) und den gemeinsamen Kindern sein letzter grosser Wunsch erfüllt.
Der Familienvater hat einen bösartigen Gehirntumor. 2016 bekam er die schockierende Diagnose. Trotz einer Operation, Bestrahlung und endloser Chemotherapien wächst dieser weiter. Robert wird sterben. Seit Monaten verliert er immer mehr die Kontrolle über seinen Körper – gehen, nach Sachen greifen oder sich auch nur sich alleine aufzusetzen ist nicht mehr möglich. Mittlerweile fällt es ihm sogar immer schwerer zu reden. Jeder Satz, jedes Wort erfordert viel Kraft. Doch allein der Gedanke an die heutige Reise hat ihm neue Lebensenergie verliehen.
Es ist eine Reise zu seinem Sehnsuchtsort: Dänemark. Hier hat er viele schöne Kindheitstage im «Falsterhus» verbracht – einem Haus, das seine Eltern mit einer Stiftung für Bedürftige aufgebaut haben. Es ist ein Ort, den er schon immer seinen Kindern zeigen wollte, es aber bis jetzt nie konnte. Dass dieser Traum nun wahr wird, verdankt Robert einem Projekt des Arbeiter-Samariter-Bundes, das seine Familie unterstützte: dem Wünschewagen. Er erfüllt Menschen wie Robert letzte Wünsche – und das komplett kostenlos.
Gemeinsam mit seinen Liebsten bringt die Organisation Robert nach Dänemark. Rettungssanitäter Karl-Heinz Harnack (56) ist heute mit Krankenschwester Ramona (36) dafür verantwortlich, dass alles klappt. «In meinem Beruf habe ich oft gemerkt, dass wir an vielen Stellen medizinisch nicht mehr helfen können. Doch auch in solchen Fällen kann man noch etwas tun, es den Betroffenen und der Familie leichter machen», sagt Karl-Heinz, der bereits 27 Lebenswünsche erfüllt hat. «So eine Fahrt schafft selten traurige Momente, sondern eher erfüllte Stunden für unseren Gast.» Und das kostet viel Zeit: die tagelange Organisation der Reise, eine stundenlange Fahrt, medizinische Betreuung vor Ort und mehr. Am Ende lohne es sich immer, findet Karl-Heinz Harnack.
Auch für Robert, für den die Fahrt sehr stressig ist. Doch im «Falsterhus» angekommen, leuchten seine braunen Augen. Wachsam blickt er sich um: Das Kaminzimmer sieht aus wie früher. Auch der Quittenbaum vor dem Haus steht noch. Aus den Früchten hat seine Mutter Konfitüre gekocht. Der Geruch von eingekochten Quitten scheint förmlich in der Luft zu liegen, als er davon erzählt. Ein Haus voller Erinnerungen, die Robert nun mit Petra und seinen Kindern Zoë und Joël teilen kann.
Die sechsjährigen Zwillinge wissen, dass ihr Papa sterben wird. In seinem Kopf wächst etwas, das da nicht hingehört. So wie es bei der Oma war. Und die ist tot. Trotzdem ist der Tagesausflug eine Möglichkeit, die Sorgen zu vergessen. Die beiden tollen durch den Garten, erkunden die Zimmer im Haus – genau wir ihr Vater früher.
Mittlerweile ist alle Anspannung der Fahrt verflogen. Die Familie kostet jede Minute aus. Petra kuschelt sich mit Robert auf ein Sofa, sie beobachten ihre Kinder. Alle lachen, reden, geniessen die Nähe. Das ganze Haus ist erfüllt von Liebe, Geborgenheit und Leben. Mit dieser Energie geht es Stunden später zurück nach Hamburg – ins Hospiz. Robert ist erschöpft, aber glücklich. Eines kann ihm nicht einmal seine tückische Krankheit nehmen: die Erinnerung an diesen glücklichen Tag.