Beinahe lebend verbrannt

Kringle war gerade mal sechs Wochen alt, als er am Strassenrand aufgefunden wurde – voller Brandwunden! Als wäre das Hündchen ­vorsätzlich ­angezündet worden. Entgegen aller Befürchtungen überlebte Kringle den Horror.

Auf einer verlassenen, staubigen und dreckigen Strasse in Mexiko schleppte sich Kringle voran. Ein barmherziger Fremder nahm das Hündchen, dessen Körper voller Brandwunden war, mit und brachte es in das nächstgelegene Tierspital, wo er notärztlich versorgt wurde.

Tracy Lystra, Gründerin einer kalifornischen Tierschutzorganisation hörte die Geschichte und entschied, sich des Tierchens anzunehmen. Es war ein Tag vor Weihnachten 2020, als die 47-Jährige Kringle abholte und gleich in ein Tierkrankenheim in Kalifornien brachte, wo er operiert wurde.

Der Körper des Welpen war zur Hälfte verbrannt, seine Ohren verkohlt. Der Schluss lag nahe, dass jemand den Hund auf grauenvolle Weise loswerden wollte und ihn bei lebendigem Leib angezündet hatte. «Ich fürchtete, dass er es nicht schaffen würde», erinnert sich Tracy. «Auf dem Operationstisch hatte er einen Herzstillstand.» Die Ärzte holten ihn per Herzmassage zurück ins Leben. 49 Tage musste er in der Klinik bleiben. Seine angekohlten Ohren wurden amputiert, seine Augenlider rekonstruiert. «Er heulte viel und hatte Mühe, sich an die Umgebung mit dem grellen Licht und den anderen Tieren zu gewöhnen», weiss Tracy. Nachdem die Chirurgen Kringles verbrannte Haut entfernt hatten, musste er ständig einen Anzug tragen, um das neu wachsende Gewebe zu schützen.

Endlich konnte Tracy Kringle mit nach Hause nehmen. Eigentlich wollte sie ihn nur so lange bei sich haben und sich um ihn kümmern, bis er wieder gesund wäre. Seine traurige Geschichte war in vielen Medien zu sehen und zu lesen, und deshalb hatten sich unzählige Menschen gemeldet, die den Kleinen gerne adoptiert hätten. Tracy begann, die Anfragen durchzusehen, als sie realisierte: «Ich kann mich nicht von Kringle trennen. Wir sind uns so nahe, er ist immer bei mir. Ich konnte es ihm nicht antun, sich schon wieder an eine neue Umgebung zu gewöhnen.»

Kurzentschlossen nahm sie den Rüden in ihr bestehendes Rudel auf, wo er richtiggehend aufblühte: Er freundete sich mit den anderen Hunden an, wurde Menschen gegenüber zutraulich und entwickelte sich prächtig. «Weil das Drama so früh in seinem Leben stattgefunden hat, klammere ich mich an die Hoffnung, dass er es bereits vergessen hat», erklärt Tracy.

Kringle braucht nach wie vor eine spezielle Behandlung: So kann er nicht ohne seinen UV-­Schutzanzug an die Sonne – seine verbrannten Stellen würden sich entzünden. Auch beim Spielen braucht er ein T-Shirt, das die empfindliche Haut schützt. Seine offen daliegenden Hörkanäle sind anfällig für Infektionen. Tracy kann damit umgehen, ihn ständig zu umsorgen. Das gerettete Hündchen ist für sie wie ein Kind: «Kringle bedeutet alles für mich.»