Beide Beine verloren – dennoch sehr glücklich

Obwohl er behindert ist, lässt sich Alexander die Lebensfreude nicht nehmen. Vor allem seiner Mutter verdankt er, dass er nach ­einer schweren Operation nicht starb.

«Ich glaube, ich bin der glücklichste Mensch der Welt», sagt Alexander Subat (45) und drückt seine Freundin Ilona (27) ganz fest an sich. «Ich bin herrlich verliebt, habe einen Traumjob und viele Pläne», sprudelt es aus ihm heraus. Lebensfreude und Zufriedenheit, die verwundern: Denn Alexander hat ein Schicksal, das die allermeisten Menschen verzweifeln liesse.

Rückblick: Alexander ist ein Wunschkind. Seine Eltern verwöhnen das Baby. Doch mit einem Jahr bekommt der Kleine plötzlich Fieber. Die Kinderärztin gibt ihm eine fiebersenkende Spritze – mit verhängnisvollen Folgen: Der Junge kann plötzlich nicht mehr stehen. Erst als Alexander drei Jahre alt ist, wird gewiss: Er ist komplett gelähmt, wird im Rollstuhl leben müssen.

In der Pubertät beginnt er, seinen Oberkörper zu trainieren. Anfangs macht er stundenlang Liegestützen und fährt mit seinem Rollstuhl immer wieder die Berge rauf und runter, so lange, bis seine Hände bluten. Er macht eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Er will so leben wie alle anderen auch, akzeptiert für sich kein Nein und kein «Es geht nicht». Der Rollstuhl soll ihn von nichts abhalten.

Doch dann schlägt das Schicksal erneut zu. Bei einem Basketballspiel kippt er mitsamt dem Rollstuhl um. Eine Platzwunde am Oberschenkel ignoriert er – ein Jahr lang. Dann hat sich die Entzündung bis in den Knochen gefressen. Im Sommer 1999 kommt er mit einer schweren Blutvergiftung in die Klinik. Sein Bein ist jetzt nicht mehr zu retten. Es wird amputiert.

Kurze Zeit danach steht der tapfere Mann vor seiner bislang schwersten Prüfung. Denn obwohl er unermüdlich gegen sein Schicksal ankämpft, macht schliesslich seine Seele schlapp. Alexander bekommt Depressionen, zieht sich zurück, mag nicht mehr arbeiten. Zu den psychischen Beschwerden kommen schnell auch körperliche. Er kann nicht mehr essen, magert auf 40 Kilo ab. So dünn und geschwächt fehlen ihm die Abwehrkräfte. Eine Wunde am Fuss entzündet sich so stark, dass das ganze Bein anschwillt. Im Mai 2014 muss es ebenfalls amputiert werden. Doch Alexanders geschundener Körper hält die Operation nicht mehr durch. Kurz nach dem Eingriff bekommt er eine Hepatitis, später zudem eine Lungenentzündung. Die Ärzte geben ihn auf. Doch die Mutter und seine Geschwister wollen ihren Alexander nicht gehen lassen. Sie sitzen an seinem Bett, erzählen dem Bewusstlosen von früher, von Ausflügen und Kinderspielen.

Und dann ist da die Stimme der 81-jährigen Mutter Hella, die immer nur leise «mein Junge» sagt. «Erst habe ich sie von ganz weit weg gehört, aber dann wurde die Stimme immer deutlicher, und ich spürte eine tiefe Liebe. Meine Mutter hat immer alles für mich getan. Jetzt war sie Witwe. Ich durfte sie nicht allein lassen», erinnert sich Alexander an den Moment, in dem er sich gegen den Tod aufbäumte. Noch auf der Intensivstation spürt er die warme Hand seiner Mama und ist schnell wieder voll von dieser Kraft, die ihn schon so oft aus seinen Tiefs geholt hat. Er trainiert seinen Oberkörper im Klinikbett, liest unermüdlich Bücher, um sich geistig fit zu machen und überrascht die Mediziner jeden Tag aufs Neue mit seinen unerwarteten Fortschritten.

Im Juni 2014 entscheidet er sich, ins Haus der Mutter zu ziehen. Und was hier passiert, grenzt an ein Wunder. Von Tag zu Tag erholt er sich weiter. Im August setzt er sich das erste Mal ans Steuer, wiegt 60 Kilo, ist topfit und voller Pläne.

Über Facebook lernt er Anfang 2015 Freundin Ilona kennen. Mittlerweile hat Alexander auch einen festen Arbeitsplatz bei einem Sanitätsunternehmen und vertreibt Rollstühle. Dankbar sagt er: «Mein Leben ist schön wie nie. Ich möchte keinen Tag davon missen.»