Aus Angst wird Faszination

Er fürchtete sich sein Leben lang vor Spinnen. Doch dann ist Sebastian gezwungen, sich beruflich mit den Krabbeltieren auseinanderzusetzen. Und entdeckt eine neue Leidenschaft.

Er ist ein grosser Tierfreund, arbeitet sogar in einem Tierpark. Doch mit einem Geschöpf kann er sich nicht anfreunden: Spinnen. Schon als Kind kann der heute 34-Jährige nicht mit einem der achtbeinigen Insekten im gleichen Raum sein. Wenn er es doch muss, hat er das Krabbeltier stets im Blick und ist voller Unruhe. Sieht er die Spinne plötzlich nicht mehr, flüchtet er aus dem Zimmer. Diese spezifische Art der Angst, an der sehr viele Menschen leiden, wird auch Arachnophobie genannt.

Sebastian beginnt 2010 im Tierpark Bochum die Ausbildung zum Tierpfleger. Er spezialisiert sich auf den Innenbereich und übernimmt nach einigen Jahren die Leitung der Aquarien und Terrarien. 2018 steht ein Terrarium leer und man entscheidet, Seidenspinnen anzuschaffen. Ausgerechnet! Der junge Tierpfleger ist schockiert.

Doch dann beschäftigt sich Sebastian mit Spinnen und findet langsam sogar Gefallen an den Krabbeltieren. «Je mehr ich mich mit ihnen beschäftigt habe, desto weniger Angst hatte ich. Es gibt ja das Sprichwort: ‹Was man nicht kennt, fürchtet man.› Im Umkehrschluss heisst das: Was man kennt, fürchtet man nicht.» Sebastian arbeitet sich akribisch in das Thema ein. Heute ist der ehemalige Spinnenphobiker ein Spinnenprofi! «Früher habe ich jeden Raum nach Spinnen gescannt.» Nun kann er die Tiere anfassen, sie auf sich rumkrabbeln lassen, und er gibt sogar Spinnen-Seminare.

Einer seiner Kunden ist die Feuerwehr Bochum. Die Männer und Frauen löschen nicht nur Feuer, sie rücken auch für rund 400 Tierrettungseinsätze pro Jahr aus. Die Einsatzkräfte müssen wissen, wie mit den Tieren umgehen. Seit 2022 kooperiert der Tierpark Bochum mit der Feuerwehr Bochum. In regelmässigen Seminaren werden die Feuerwehr-Mitarbeitenden auf exotische Tiere geschult. Im Fokus sind Spinnen und Schlangen. Da kommt dann Sebastian mit seinem grossen Wissen zum Einsatz.

«Die langsame Gewöhnung und Kontaktaufnahme, die mir die Arbeit im Tierpark erlaubte, war für mich die einzige Möglichkeit, mich der Angst zu stellen und sie zu überwinden», erklärt Sebastian. Den Tipp zur Kontakttherapie gibt er auch anderen Spinnenphobikern. Solche Therapien werden vielerorts angeboten. Es ist tatsächlich so: Wer in einem kontrollierten Setting ausprobiert, wie man eine fette Kellerspinne über seine Hand laufen lassen und sie sogar dirigieren kann, der verliert seine Angst.