«Aufgeben kam für mich nie in Frage»

Ein Unfall beendete schlagartig die Karriere einer jungen und erfolgreichen Basler Tänzerin. Sie bot dem Schicksal die Stirn und stellte sich den neuen Anforderungen ihres Lebens.

Schon als kleines Kind hatte sie nur einen Wunsch: Ballett-Tänzerin zu werden. Ihre Eltern beschlossen, Galina Hoffmann-Gladkova (heute 57) diesen Wunsch zu erfüllen, und schickten sie in den Unterricht. Damals lebte die Familie noch in Toronto (Kanada). In den folgenden Jahren konnte sich Galina dank eines Stipendiums in New York bis zur Bühnenreife weiterbilden, wo sie dem renommierten Schweizer Heinz Spoerli (76) begegnete. Er hat in Basel jahrelang als Ballettdirektor gewirkt und dem dortigen Theater viel Ruhm beschert. 200 Tänzer hatten sich in New York um einen Job bei ihm beworben, seine Wahl fiel auf Galina. Spoerli habe sie sehr gefördert, erzählt sie, und schon bald durfte sie sogar Solo-Rollen tanzen.

Heute lebt Galina in der Schweiz, wo sie die Liebe hingeführt hat: 1985 heiratete sie einen Basler Zahnarzt, der ebenso begeistert vom Tanzen war wie sie. Doch zehn Jahre später nahm ihr glückliches Leben ein jähes Ende – wegen ihres Hobbys, dem Reiten. «In Frankreich wurde mein Pferd von Wespen gestochen und warf mich im Vollgalopp aus dem Sattel», erinnert sich Galina. Sie lag mitten im Feld, ganz alleine. Es war ein heisser Sommertag, weit und breit war niemand zu sehen. «Ich wollte auf die Uhr schauen, doch ich konnte nur noch die Handgelenke drehen», sagt sie traurig. Der Nacken schmerzte sie stark. Glücklicherweise stand ihr Pferd in der Nähe, sodass sie schliesslich von Spaziergängern bemerkt wurde. Die Retter alarmierten eine Ambulanz. «Mein Mann war inzwischen auch informiert worden. Er wollte mich per Helikopter in die Schweiz fliegen lassen. Ich lehnte jedoch ab aus Angst, nicht zu überleben.» Schwer verletzt wurde sie in ein nahe gelegenes Spital gebracht, wo sie sofort operiert wurde. Die Ärzte diagnostizierten fünf Wirbelfrakturen und stabilisierten diese mit Stahlstäben. Danach wurde sie ins Paraplegikerzentrum in Nottwil (LU) überführt, wo sie neun Monate behandelt wurde. Seither sitzt sie im Rollstuhl.

Und wie sollte es nun weitergehen? Ihr starker Lebenswille habe ihr sehr geholfen, sich mit der neuen Situation zu arrangieren. «Aufgeben kam für mich nicht in Frage.» 1999 gründete sie eine Ballettakademie im Schloss Villersexel in Frankreich, nahe der Schweiz. «Zunächst habe ich Sommerkurse für Tänzer angeboten. Dazu kamen dann zeitgenössischer und klassischer Tanz. Für andere Sparten konnte ich Tanzlehrer engagieren.» Später eröffnete sie zudem eine Ballettschule in Basel. «Ich wollte mich keineswegs von meinem Schicksal unterkriegen lassen», sagt sie dezidiert. Sie habe mit vier Tänzern begonnen, eine neue Existenz aufzubauen, heute hat sie 80 Schüler. Nie habe sie Wut oder Frustration verspürt: «Ich bin glücklich über alles, was ich jetzt habe: Mein Leben und vor allem den Tanz.» Ihre Kompanie habe internationale Wettbewerbe gewonnen, und sie sei sehr stolz auf diese Erfolge. «Sie tritt regelmässig öffentlich auf. Was will ich mehr?»

Doch ein weiterer Schicksalsschlag blieb ihr nicht erspart: 2009 verstarb ihr Mann unerwartet. «Als Witwe im Rollstuhl zu leben, ist oft sehr schwierig, aber ich bin dankbar für die 24 Jahre, die wir gemeinsam verbringen konnten», sagt Galina. Sie habe ein gutes Umfeld und erhalte viel Hilfe. Das Erziehungsdepartement Basel, Sparte Kunst und Sport, unterstütze sie grosszügig. Was auch immer noch auf sie zukomme: «Ich weiss, ich schaffe das.»